Als Oma bist du ja ganz nett: Wie meine Mutter ein Enkelkind bekam (German Edition)
großen Teilen gestrichen hat. Lisa war immer an meiner Seite, doch irgendwann gingen wir in stillem Einvernehmen getrennte Wege, ohne dass wir jemals wieder versucht hätten, uns anzunähern. Es kam, wie es immer kommt, wenn etwas nicht abschließend geklärt ist, eines Nachmittags standen wir plötzlich nebeneinander im Fahrstuhl. Lisa schaute Sophie an, dann mich, wir brachten beide keinen Ton heraus, und dann war die Fahrstuhlfahrt schon vorbei.
Meine Mail war kurz. In ihrer schüttete Lisa mir dann ihr Herz aus. Es tue ihr leid, dass sie sich nicht gemeldet habe, aber sie fühle sich unfähig, mit mir als Mutter umzugehen, weil sie selbst gerade keinen einzigen Gedanken an Kinder verschwenden könne. Äh, warte, das kannte ich doch irgendwoher. Ich ging gedanklich an meinen Aktenschrank und öffnete den Ordner »Verunsicherte Freunde«. Der ist ja völlig überfüllt, hier ist kein Platz mehr für die Akte »Lisa«. Es wurde Zeit aufzuräumen. Ich schrieb ihr, dass wir uns gerne in der Kinderecke zum Essen treffen könnten. Oder am Abend auf ’ne Kippe und ein Glas Wein. Cool, oder? Ach herrje, es ist ein ewiges Drama mit dieser Gretchenfrage. Darf ich oder darf ich nicht? Wann bin ich zu streng, und wann bin ich meinem Alter unangemessen? Lisa und ich haben uns dann tatsächlich noch einmal getroffen. Ziemlich schnell war uns beiden klar, dass wir nicht wegen des Kindes nichts mehr miteinander zu tun hatten, sondern weil es nichts mehr zu sagen gab. Insgesamt und generell.
Nachdem ich die Verabredungsmail losgeschickt habe, treffe ich mich mit meiner Mutter vor dem Drogeriemarkt. Hier kann ich mich zuverlässig verabreden, ich muss ja täglich hin. Im Drogeriemarkt kann man das Kind auch mal laufen lassen und einander neben den Klosteinen vom Tagesgeschehen berichten. Ich erzähle meiner Mutter von der stillen Fahrstuhlbegegnung. Sie schaut derweil angewidert auf das WC- frisch-Regal und sagt, ich solle das mit Lisa nicht so persönlich nehmen. Ja, stimmt. Bleib cool, wenn alte Freunde so tun, als würden sie dich nicht kennen, weil Sophie an deiner Hand hängt. Ich nehme ein Doppelpack »Duft und Reinigung« und lege es neben den Kinderbrei. Eigentlich finde ich die Dinger eklig, spießig und umweltverschmutzend, aber da Oscar darauf steht, habe ich mich daran gewöhnt. Der Blick meiner Mutter durchbohrt meinen Nacken. Ich weiß, was in ihrem Kopf vorgeht. Auch wenn der Klostein noch in keinem Klo hängt, er darf, allein weil er dazu bestimmt ist, nicht an Nahrung – und schon gar nicht an Kindernahrung – rühren. Niemals. Sie sagt nichts, ich auch nicht, und es ist dennoch klar. Ich lasse aus Protest das WC -frisch-Duo im Korb neben dem Brei. Sie denkt, ich sei unemanzipiert und zu faul, das Klo einfach mal selber zu reinigen. Ich denke, sie sei viel zu unentspannt und solle mich mal schön machen lassen, was ich für richtig halte.
An der Kasse übernimmt Mami das Zahlen. »Haben Sie eine Paybackkarte?« Routinemäßig schüttele ich den Kopf. Doch meine Mutter zückt ihre. Ich kann es nicht fassen. Wann bitte sehr wurde aus der Schlüpfer verachtenden Easymom eine glühende Verehrerin des Punktesammelns? Seit über einem Jahr wehre ich mich dagegen, weil ich befürchte, meine Mutter oder irgendjemand anderes, bei dem ich das Gefühl habe, hin und wieder Rechenschaft ablegen zu müssen, könnte die Karte in meinem Portmonnaie finden. Diese Person würde dann von mir verlangen, mich zu erklären, und sich lustig darüber machen, dass ich zwar etwas auf meinem Paybackkonto, nicht aber auf meinem Girokonto habe. Doch dann folgt die Erkenntnis darüber, dass ich soeben ein Puzzleteil zur Beantwortung der Frage nach meinem Standpunkt auf der internationalen Spießerskala gefunden habe. Ich stehe zwar weiter oben als jene, an die auf dieser Welt noch Partyflyer verteilt werden, aber unter denen, die Paybackpunkte sammeln. Ich vermute, dass meine Widerstandskräfte mit der Zeit einfach nachlassen. Warum soll ich es schwer haben, wenn ich doch tatsächlich mit meinen Paybackpunkten irgendwann ein Gratiswindelpaket bekomme? Warum sollte ich nicht irgendwann den Schritt auf der Skala nach unten gehen und mir einen leisen Toilettendeckel, ein Heizkissen und eine Obstschale zulegen? Na, das ist doch klar: weil ich für meine Tochter die coolste und beste Mama der Welt sein will.
VÄTER
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