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Als Oma bist du ja ganz nett: Wie meine Mutter ein Enkelkind bekam (German Edition)

Als Oma bist du ja ganz nett: Wie meine Mutter ein Enkelkind bekam (German Edition)

Titel: Als Oma bist du ja ganz nett: Wie meine Mutter ein Enkelkind bekam (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Maier , Hanna Maier
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weiße Gummigiraffe mit hautfarbenen Flecken, die so ziemlich jedes alternativ erzogene und zudem noch zahnende Kind zum Draufrumkauen geschenkt bekommen hat. Dass sie wegen Weichmachern im Ökotest durchgefallen ist, wissen alle, die sich jemals im Spielzeugwareneinzelhandel nach ihr auf die Suche gemacht haben.
    Auch ich ging aus Mutterliebe und dem Bedürfnis, mich einer sozialen Gruppe zuordnen zu können, in einen dieser Läden und fragte: »Haben Sie diese weiße Giraffe, die quietscht und …« »Nein, die führen wir nicht mehr, die enthält Weichmacher und wird auch praktisch nirgendwo anders mehr verkauft.« Der Blick des Verkäufers verriet mir, dass ich besser nicht weiter nachfragen sollte, wenn ich nicht das Jugendamt wegen Kindeswohlgefährdung im Nacken haben wollte.
    Statt an die armen Unternehmer, die jetzt wohl kein Plastikgiraffengeschäft mehr haben, dachte ich sofort mit schlechtem Gewissen an die leuchtend gelbe Plastikente, die bei uns zu Hause in der Spielecke rumlag. Auf ihr prangte groß das Made-in-China-Zeichen. Und dann dachte ich an die Frau, die sie uns geschenkt hatte. Meine Mutter. Ohne nachzudenken, hatte sie sie einfach so bei uns abgestellt, sie habe sie in unserem alten Spielzeug gefunden. Na toll, damit war ich dieser giftigen Bestie ausgesetzt. Bevor ich das Untier entsorgen konnte, hatte Sophie sie schon in ihr Herz geschlossen. Und so blieb die Ente im Zimmer. Doch was, wenn mein Kind mal eine schwere Krankheit bekommt, die auf den Einfluss der Gummiente zurückzuführen ist?
    Vielleicht sind meine Augen ja deshalb so schief, weil mein Kinderwagen mit einer einfachen Schaummatratze und nicht siebenzonig gepolstert war? Oder vielleicht habe ich so eine schwere Matheschwäche, weil es damals nur Rechenschieber und keine Hightechzählkästen gab, die mithilfe von Soundsystemen und Touchfunktion das Kind zum Weitermachen ermutigen konnten?
    Die kindliche Gesundheit war früher noch nicht so wichtig wie heute. Es wurde sogar aktiv dazu beigetragen, dass Kinder gefährdet werden. Man rauchte hemmungslos vor Kindern. Einfach so und ohne schlechtes Gewissen. Deswegen bin auch ich Raucherin geworden. Schön verkackt, Mama und Papa. Selbst jetzt, wo ich ein Kind habe und nach gesellschaftlichen Standardanforderungen eigentlich genauso wenig rauchen wollen sollte, wie ich mich mit Nazis anfreunden würde, rauche ich manchmal abends. Manchmal. Das zu betonen ist wichtig für mich. Denn mein Weltbild stand für lange Zeit fest: Rauchen ist schlecht. BPA -frei ist gut. Dazwischen ist nicht viel Luft, und ich möchte auf jeden Fall auf der guten Seite stehen. Doch dann sah ich an einem grauen Mittwochabend fern. Auf einem der großen deutschen Privatsender hatte ein superkluger Intendant einen Til-Schweiger-Abend anberaumt. Es lief »Der bewegte Mann«. Soweit ich weiß, war der 1994 eine kleine Sensation, weil es offen ums Schwulsein ging. Wow, danke, Til! Jedenfalls gibt es da eine Szene, in der die schwangere Freundin vom Til in ihrer schönen Altbauwohnung sitzt, eine Latzhose trägt und dabei ein Babybett zusammenbaut. Nebenbei raucht ihre Freundin eine Zigarette. In meinem Kopf ging eine rote Lampe an, ich sprang von der Couch, schüttelte den Fernseher und schrie Tils Freundin an: »Renn weg! Die raucht! Denk doch an dein Baby!«
    Das hatte ich schließlich auch so gemacht. Sobald ich wusste, dass ich schwanger war, hatte ich mit Rauchen aufgehört. Doch die Latzhosenfrau widersetzte sich meinem gut gemeinten Ratschlag, und als wollte sie mich eines Besseren belehren, nahm sie der Freundin die Zigarette aus der Hand und inhalierte leidenschaftlich. Ich fiel fast in Ohnmacht.
    Doch letztlich läuterte mich der Film. Ich spürte, dass sich die bundesdeutschen Antiraucherkampagnen so sehr in meinem Hirn festgesetzt hatten, dass ich jede andere Möglichkeit zu bedenken aufgegeben hatte. Ich war von meinem moralischen Ross runtergefallen und nicht so hart aufgeprallt wie befürchtet. Sicherlich ist es besser, nicht in der Gegenwart eines Kindes – oder gleich gar nicht – zu rauchen. Aber die Welt würde nicht untergehen, wenn das passierte. Die großen Baustellen unserer Zeit liegen nicht in Aschenbechern oder Kinderzimmern. Die großen Baustellen bearbeitet man nicht, indem man Katja Riemann anschreit.
    Tatsächlich: Bis heute hat die Menschheit überlebt. Diese Menschheit ist schließlich eine zähe Gattung. Wir haben Eiszeiten ohne Merinowolle und Texapore überlebt. Wir haben

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