Als Oma bist du ja ganz nett: Wie meine Mutter ein Enkelkind bekam (German Edition)
Hippiewortschatz nach dem Wort »Containern« suche, antworten die anderen Mütter: »Oh ja, früher konnte man toll bei Magasin containern. Ich würde echt gern mal wieder gehen, aber ich bin abends um acht so platt, da treibt mich nichts mehr vor die Tür.« Ihre verklärten Blicke treffen sich, und kurz glimmt in ihnen ein Feuer auf.
Mein Gehirn hat es gefunden: »Containern, das. Alternative Form der Lebensmittelbeschaffung, die meist als Konsumkritik verstanden wird. Menschen brechen nachts in supermarkteigene Mülltonnen ein, um weggeworfene, aber noch verwertbare Lebensmittel zu sichern. C. befindet sich in einer rechtlichen Grauzone.« Ich kann nur lächeln. So eine Sehnsucht habe ich nicht mehr. Wenn mich jemand zum Containern überreden könnte, dann, um mal abends rauszukommen und für den Nervenkitzel. Aber ich könnte mir auch andere Sachen stattdessen vorstellen. Zum Beispiel Schokoriegel klauen, ohne Ticket Bahn fahren oder sogar Feuerwerkskörper in Briefkästen zünden. Aber da ich ja immer abends um elf im Bett sein muss, um am nächsten Tag nicht völlig durchzuhängen, kommt das meiste davon ohnehin nicht infrage.
Das hier ist einer dieser Punkte, an denen sich die Universen treffen. Plötzlich treffe ich auf die Welt der Sorgen, die sich um Ernährung, Krieg und Gerechtigkeit drehen. Bei mir gibt es das alles auch, aber auf einer ganz anderen Ebene. Es geht nicht um meine Ernährung, sondern Sophies. Der Krieg findet an meinen Nerven statt, und bei Gerechtigkeit ist das große Thema mein Nachtschlaf. Auch wenn ich zynisch werde: Es ist gut, dass dieses Universum für mich noch existiert. Wenn ich das nächste Mal nach Hause komme, gebe ich Sophie bei meinen Eltern ab und gehe zu einer Podiumsdiskussion zum Thema Klimawandel.
SÜNDEN
IM ZURÜCKLIEGENDEN JAHRHUNDERT RAUCHEN VERBRECHERISCHE MÜTTER TABAK UND KAUFEN ZU DIESEM ZWECK SPIELPLATZASCHENBECHER
Als ich noch ein Schulkind war, besuchte ich eine Polytechnische Oberschule, in der schon ab der dritten Klasse Russisch unterrichtet wurde. Auf dieser sogenannten Russischschule wurden Kinder nicht nur zwei Jahre früher als an anderen Schulen intensiv mit der russischen Sprache vertraut gemacht. Nein, man vermittelte ihnen auch das Gefühl, besser als ihre Altersgenossen zu sein, was Sprachbegabung sowie staatsbürgerliche Reife anging. Und tatsächlich, aus uns »Russischkindern« – das hatte mein zurückliegendes Klassentreffen gezeigt – wurde was. Zwar nicht Staatsratsvorsitzender, Politoffizier oder Pionierleiterin. Aber viele von uns hatten Jobs, die ihren Mann und ihre Frau ernährten.
Die größte Überraschung jedoch war, dass wir alle noch am Leben waren. Denn unsere ganze Schulzeit lang war unser Leben bedroht gewesen; das hatten wir aber erst lange nach dem Abschluss erfahren. Unser Schulgebäude aus den Sechzigerjahren war nämlich asbestverseucht gewesen. Wir arglosen Kinder hatten darin endlose Tage, Wochen und Jahre verbracht. Wir hatten zwischen all dem Gift unsere Pausenstullen gegessen, uns an die toxischen Wände gelehnt und – um das Risiko noch zu steigern – hinter der asbestverseuchten Turnhalle schädliche Zigaretten geraucht. Im Grunde waren wir Überlebende.
Was uns Babyboomern damals das Asbest, ist unseren Nachgeborenen heute der »Weichmacher«. Das schöne Wort für Chemikalien, die Dinge weich und giftig machen können, steht im krassen Gegensatz zu seinem Klang. Weichmacher – ein Flauschwort. Da lobe ich mir doch das gute alte Asbest, mit dem ganze Gebäude »verseucht« waren. Bei diesem Adjektiv ist klar, wohin die Reise geht, nämlich ins Verderben.
Ebenfalls mitten ins Verderben führt bekanntlich das Rauchen. Rauchen ist schlimm. Es »macht sehr schnell abhängig«, es »fügt den Menschen in Ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu« und kann insgesamt »tödlich sein«. Das weiß jeder, der die entsprechenden Warnhinweise auf Zigarettenpackungen studiert.
Ganz, ganz schlimm sind Sätze, in denen Rauchen und Kinder vorkommen. »Rauchen in der Schwangerschaft schadet Ihrem Kind.« Diese Warnung auf käuflich erwerbbaren Rauchwaren ist noch milde im Vergleich zu jenen Blicken, die Frauen treffen, die in der Öffentlichkeit rauchen und dabei Kinder bei sich führen. Keine Frage, es darf davon ausgegangen werden, dass diese Dame es auch sonst in jeder Hinsicht an Verantwortungsbewusstsein fehlen lässt.
Ja, es ist gut und richtig, dass im 21. Jahrhundert die allermeisten Erwachsenen nicht vor
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