Als Oma bist du ja ganz nett: Wie meine Mutter ein Enkelkind bekam (German Edition)
hölzerne Einbaumboote gebaut, die uns nach Hawaii gebracht haben, bevor es Winkelschleifer gab. Und wir kriegen Kinder, obwohl es Mikrowellen, Nikotin und Phthalate gibt. Und was am allerheftigsten ist: Menschen sind befreundet, obwohl sie verschiedene Auffassungen zum Giftstoffthema haben. Ich rufe meine Muttifreundin an und frage sie, ob sie nicht Lust hätte, sich mit mir und der Mutti von Paula mal ohne Kinder zu treffen. Sie ist skeptisch, doch wir wagen den Versuch. Paulas Mutti ist megacool, und wir drei verbringen einen Tag lang damit, nichts zu machen, während die Frischlinge im Kindergarten sind. Am Ende, kurz bevor wir uns wieder die Mamaanzüge mit dem Superheldinnenzeichen auf der Brust überstreifen, sitzen wir in der Sonne auf der Treppe. Ich erwähne im Gespräch, dass ich manchmal abends rauche. Dann, wenn Sophie im Bett ist, und auch nur manchmal. Die Mutti von Paula zückt ohne ein Wort eine Schachtel Kippen: »Gut, dass du das erwähnst. Ich habe schon die ganze Zeit Lust, traue mich aber immer nicht vor anderen Eltern.« Wir kichern wie Teenager, greifen zu und paffen gleich zwei hintereinander. Und das noch vor der Mittagszeit. Ich fühle mich wie mit dreizehn, als ich das erste Mal heimlich nach der Schule geraucht habe. Danach noch Hände waschen, Deo ran und ’nen Kaugummi rein. Das hatte ich mir alles von den Großen abgeschaut.
Irgendwann werde auch ich so tun, als würde ich nicht den auffälligen Geruch an Sophie bemerken. Maximal fragen: »Hast du geraucht?« »Nein«, wird sie sagen, während die Tür zu ihrem Zimmer schon fast geschlossen ist. »Gut«, werde ich antworten. Aber vielleicht hat mir bis dahin auch die Bundesregierung schon die Arbeit abgenommen, und es gibt gar keine Zigaretten mehr. Oder sie sind so teuer, dass sie das Taschengeld von drei Monaten kosten würden. Wir werden sehen. Bis dahin ist ja noch ein bisschen Zeit, und die kleine Sophie darf, solange sie will, ihre blöde Plastikente behalten.
URLAUB VOM URLAUB
HANNA UND OSCAR REISEN INS AUSLAND, UND SOPHIE BESTÄTIGT DIE UNIVERSAL GELTENDE UNTREUEREGEL BEI KINDERN
»Und? Freust du dich schon?«, fragt meine Kollegin. Tja. Freue ich mich schon auf Stefans und mein allererstes Wochenende allein mit Sophie? Ohne Hanna? Also ohne die Heul-, Schlaf- und Versicherungsbeauftragte, die im Konfliktfall alles regelt, indem sie Sophie einfach auf den Arm nimmt und an ihr einen für uns unsichtbaren Ausknopf drückt? »Na ja«, antworte ich meiner Kollegin, »freuen würde ich nicht direkt sagen. Ganz ehrlich, ich fürchte mich ein bisschen.« Wie das?
Vor einiger Zeit hatte Hanna erzählt, sie plane eine Reise nach London. Die jungen Leute – wohin die so überall mal übers Wochenende jetten, hatte ich gedacht und mich gefreut für die drei. Aber dann erzählte Stefan mir, dass auch wir eine Rolle in Hannas Reiseplänen spielen: nämlich die der Großeltern, die sich ums Enkelkind kümmern, während die werten Eltern es vier Tage lang krachen lassen. »Wir übernehmen das natürlich, und zwar sehr gern!«, hatte Stefan gesagt. Mich hatte er nicht gefragt.
Und tatsächlich, was ist kompliziert daran, wenn zwei erfahrene Kinderpraktiker mal ein paar Tage auf eine kleine Sophie aufpassen? Nun, es sind die Jahre, die zwischen dem praktischen Teil und heute liegen. Und die Umstände. Ich meine, Kinder – das sind doch heute diese goldwerten Heiligtümer, diese kleinen Königinnen, bei deren erstem Protestschrei Erwachsene herbeizuspringen haben, um nach neuesten Methoden der nonverbalen Kommunikation herauszufinden, wonach Fräulein Sophie gerade der Sinn steht. Nach einem exakt auf vierundzwanzig Grad erwärmten Gläschen Dinkelbrei? Oder nach der kleinen Rassel aus Eschenholz? Oder nach einer frischen Windel? Man sollte das wirklich wissen. Denn wer am kostbaren Kind einen Dinkel-, Windel- oder Rasselschaden verursacht, kann schon mal ansparen für die spätere Traumatherapie.
Eigentlich habe ich ja immer geglaubt, auch heutige Eltern seien in etwa so gestrickt, wie wir es damals waren: das Kind auch mal fünf Minuten schreien lassen, bevor es seinen Willen kriegt. Resolut Nein sagen, wenn es Form und Funktion einer Schere erkunden möchte. Derlei. Doch unsere Begegnungen mit Hanna, Sophie und Oscar lehrten uns, dass sich in dieser Hinsicht allerlei geändert hat in den letzten zwanzig Jahren. Ein Mucks – und Sophie bekam irgendwas zu essen oder eines dieser futuristisch anmutenden Trinkwerkzeuge angeboten. Ein
Weitere Kostenlose Bücher