Als schliefe sie
Wort zu sein.
Nein, sie traf keine Schuld. Er sei es leid, halte das Ganze nicht mehr aus, sagte er. Sie wollte verstehen, doch es gelang ihr nicht. Schuld war Asma, die Frau seines verstorbenen Bruders Amîn. Nein, schuld war Amîn. Nein, die Mutter. Nadschîba konnte Milia noch nie ausstehen. Denn sie glaubte, dass Mansûr sich durch ihren Einfluss verändert habe. In Wirklichkeit jedoch war es umgekehrt. Mansûr war zu Milia gegangen, weil er sich verändert hatte. Wie aber hätte man der Mutter klarmachen sollen, dass die Ursache bei ihrem Sohn lag? Die Mutter war wie blind, sah nichts. Das hatte Mansûr selbst einmal gesagt. »Es hat nichts mit dir zu tun, Milia. Sie will einfach nicht sehen, dass ich vor ihr und Amîn weggelaufen bin.« Milia dagegen sah klar und deutlich. Sah, wie sich seit Amîns Ermordung alles veränderte.
Die Poesie verschwand. Ebenso die Geschichte, wie al-Mutanabbi auf dem Rückweg in seine Stadt starb, weil er auf seinen Diener gehört hat. Nachdem er so einen Satz gesagt habe, so die Worte des Dieners, dürfe er vor Dabbas Onkel 4 , der ihm in der Wüste auflauerte, nicht weglaufen:
»Pferde, Nacht und Wüste kennen mich
auch Schwert und Lanze, Heft und Stift.«
»Also ist er seiner Poesie zum Opfer gefallen?«, kommentierte Milia.
»Was hätte er tun sollen?«, fragte Mansûr.
»So ein Dummkopf. Wer glaubt denn den eigenen Worten? Er war ein Dummkopf, weil er sich selbst geglaubt hat.«
»Am Ende bleibt einem nichts übrig als zu glauben. Das ist der Tod. Der Tod ist der einzige Augenblick der Wahrheit im Leben des Menschen«, sagte er.
Warum er aus ihren Nächten verschwunden sei, wo Poesie und sein Begehren geblieben seien, wollte sie ihn fragen, tat es aber nicht. Doch die Frage sprach aus ihren Augen. Er hatte gerade seinen Kaffee hinuntergekippt und war im Begriff, das Haus zu verlassen, blieb dann aber unvermittelt stehen, trat an sie heran und stricht ihr liebevoll über die Wange.
»Der Arzt hat gesagt, dass ich es ab dem siebten Monat unterlassen soll.«
»Ich verstehe nicht«, sagte sie.
»Vergiss es. Ich gehe dann, bis bald.«
»Das Kindersterben ist das Zeichen«, sagt Tanjûs. Mit zerzaustem Haar steht der Mönch in der Ferne und winkt sie zu sich.
»Bitte, geh weg. Ich werde mit meinem Mann nach Jaffa ziehen und Schluss.«
»Was gibt es in Jaffa?«, fragt er.
Sie drehte sich um, riss die Augen auf, sah Mansûr.
»Entspann dich, Liebling«, beruhigte er sie. »Der Arzt sagt, dass wir noch ungefähr eine Stunde warten müssen. Alles wird gut gehen.«
Milia fragte nach dem Kind.
»Noch nicht. Es dauert noch etwas.«
Sie verstand. Sie wolle ihre Mutter bei sich haben, sagte Milia. Sie sprach von Schmerzen, davon, dass ihr ganzer Körper schmerze. Sie zitterte. Ihre Zähne klapperten.
Mansûr rannte hinaus und kam mit den beiden Krankenschwestern zurück.
Die Große sah Milia an.
»Ich hole den Arzt«, sagte sie. »Es ist so weit.«
Die Kleine trat an Milia heran, nahm ihre Hand und wischte ihr mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn.
»Keine Angst«, beschwichtigte sie.
»So, mein Herr!«, wies sie Mansûr an, »Sie gehen jetzt hinaus. Und Sie, meine Liebe«, wandte sie sich an Milia, »Sie helfen mir und sich selbst.«
Wellenartig erfassten Milia die Schmerzen. Sie hatte das Gefühl zu zerbersten. Hatte das Gefühl, schreien zu müssen. Das Gefühl, mutterseelenallein zu sein.
»Mutter! Schau, was sie mit mir machen!«, kreischte sie. Alles drehte sich vor ihren Augen. Und dann nur noch Dunkelheit.
Er steht da, den Kopf gesenkt.
»Ich sehe das Kind«, sagt Tanjûs.
»Nein, bitte, kein Wort über das Kind.«
»Ich liebe Kinder«, sagt er. »Und ich mag schwangere Frauen. Schwangerschaft ist der Inbegriff weiblicher Schönheit. Glaub ja nicht, was die Frauen behaupten. Trägt eine Frau einen Jungen aus, dann wird sie, diesem Gewäsch nach, hässlich. Trägt sie aber ein Mädchen aus, dann wird sie hübscher. Alles Unsinn! Schau dich an. Du bist mit einem Jungen schwanger und zunehmend hübscher geworden. Eine schöne Frau wird in der Schwangerschaft umso schöner. Oder soll die Jungfrau Maria mit Jesus im Bauch etwa hässlich gewesen sein! Ich habe zu Schwester Mary gesagt, dass etwas nicht stimmt. Männer sollten besser nicht heiraten, weil der Messias unverheiratet starb. Seine Frauen hatten allesamt ein und denselben Namen. Mariam nannte er alle, um ihre Namen nicht zu verwechseln. Sprach er mit einer, dann war es so, als spreche
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