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Als schliefe sie

Als schliefe sie

Titel: Als schliefe sie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elias Khoury
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versuchte, und sank zurück auf den Boden.
    »Es geht nicht«, sagte sie mit erstickter Stimme.
    Die Nonne erschien, ihr messingnes Räucherfässchen in der Hand. Wortlos ging sie auf Milia zu, beugte sich über das Bein und befühlte es mit ihren kurzen, dicken Fingern.
    »Es ist gebrochen«, stellte sie fest. »Bringt sie zu dem Armenier!«, sagte sie knapp, drehte sich um und ging.
    Saada eilte hinterher und fragte sie nach der Adresse. Dann forderte sie Mûsa auf, mit anzupacken. Sie auf der einen, er auf der anderen Seite wuchteten Milia hoch. Gehalten von der Mutter und gestützt auf Mûsas Schulter, hüpfte die Verletzte auf dem linken Fuß zum nächsten Taxi. Sie stiegen ein und vor einem freistehenden Haus in einer der vielen Gassen im Burdsch-Hammûd-Viertel wieder aus. Eine Frau öffnete ihnen. Klein, graumeliert, brünett mit einer Haarsträhne im Gesicht. Sie bat um etwas Geduld.
    Im Behandlungszimmer nahm Milia einen seltsamen Geruch wahr. Vor Schmerzen habe sie nicht gemerkt, was vor sich ging, würde sie später sagen. Außerdem würde sie sagen, dass ihr bei dem zweiten Besuch in der Praxis etwas Eigenartiges widerfahren sei. Undefinierbare Schwingungen seien ihr durch Brust und Schultern gefahren. Im Raum roch es nach einer Mischung aus kräftig gewürztem Kochfleisch und Ausdünstungen der beiden Männer. Der eine, groß und breitschultrig, saß vor ihren Füßen. Tastend arbeitete er sich von der Fußsohle zum Knie hoch und verharrte an der Kniescheibe. Milia spürte plötzlich den Flaum an ihren Schenkeln. Wie aus einem tiefen Schlaf erwacht, richtete er sich auf und wartete auf eine Hand, die ausblieb. Der andere Mann, weitaus kleiner und schmächtiger als sein Bruder, stand hinter ihr, hielt sie bei den Schultern und wies sie wiederholt an, tief zu atmen.
    Der große Mann forderte Saada und Mûsa durch ein kurzes Heben der Augenbrauen auf, den Raum zu verlassen. Wortlos gingen Mutter und Sohn hinaus und warteten in der Halle. Dunkel war es dort. Die Holzläden vor den Fenstern waren geschlossen, sodass durch die geriffelten Glasscheiben kaum Tageslicht eindringen konnte. Im Raum nebenan saß Milia, versorgt von vier Händen, umhüllt von einem seltsamen Geruch. Was es mit diesem Geruch auf sich hatte, begriff sie erst, als sie sich in Nadschîb Karam verliebte. An Nadschîb faszinierte sie besonders die Art, wie er sprach, laut lachte und über alles spottete. Einmal, sie befand sich mit Nadschîb im Garten, tauchte unverhofft jener altbekannte Geruch auf. Sofort schmerzte ihr rechtes Bein wieder. Der Abend hatte bereits seine Schatten ausgeworfen. In der Luft tummelten sich unüberhörbar die Nachtgeschöpfe, flatternd über der Silberakazie. Blinde Fledermäuse prallten im Flug gegen die Bäume. Milia lachte ausgelassen über Nadschîbs Scherze.
    »Nächste Woche rede ich mit Salîm«, sagte Nadschîb unvermittelt.
    »Was heißt das?«, fragte sie.
    »Das heißt, dass du bald meine Verlobte bist. Und dann heiraten wir.«
    »Dich heiraten?«
    »Natürlich mich! Wieso? Gefalle ich dir etwa nicht?«
    »Doch, aber…«
    »Was aber?«
    »Aber vielleicht willigt Salîm nicht ein.«
    »Salîm ist mein Freund. Er wird schon einwilligen.«
    »Was heißt das?«
    »Das heißt, dass ich dich liebe«, sagte er.
    Er ging auf sie zu, legte ihr die Arme um die Taille, und da passierte es. Von seinen Armen umfangen, stieg Milia jener Geruch in die Nase. Augenblicklich fuhr ihr ein entsetzlicher Schmerz durch das rechte Bein. Sie wich zurück, wollte sich am Paternosterbaum festhalten. Nadschîb aber machte einen Schritt vor und drängte sich an sie.
    »Aua«, sagte sie leise.
    Das »Aua« stoppte Nadschîb nicht, sondern spornte ihn an. Es war, als sei ein Feuer in ihm ausgebrochen. Er drückte sie an sich, presste die Lippen an ihren langen weißen Hals. Milia war wie gelähmt. Der Geruch verschmolz mit dem Schmerz. Ihr wurde schwindelig. Nadschîb zitterte plötzlich wie im Fieber. Kurz darauf ließ er sie los und rannte samt dem Geruch ins Bad.
    Milia war allein zu Hause. Ihre Mutter hatte sich in die Kirche aufgemacht, um mit den Nonnen Vesper zu feiern, und ihre vier Brüder waren alle ausgegangen. Da kam Nadschîb vorbei. Sie bereitete ihm ein Glas gesüßtes Rosenwasser zu und setzte sich mit ihm in den Garten. Er redete, und sie hörte zu. Irgendwann stand sie auf, um Kaffee zu kochen. Er näherte sich ihr. Da stieg wie aus dem Nichts jener Geruch auf und rief den Schmerz in ihrem Bein wach. Kaum

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