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Als schliefe sie

Als schliefe sie

Titel: Als schliefe sie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elias Khoury
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Schwierigkeiten mit dem Jurastudium. Vielleicht war er auch mit anderen Dingen beschäftigt. Doch als er schließlich seine Jesuiten-Bombe platzen ließ, war allen klar, dass er sich all die Jahre nicht mit Jura, sondern mit katholischer Theologie befasst hatte. Bruder Eugen habe versprochen, so vertraute er Mûsa an, ihn zum weiterführenden Studium nach Rom zu schicken, unter der Voraussetzung, dass er sich dem Orden als Mönch anschließe.
    Zehn Jahre habe er vergeudet. Zehn Jahre, in denen Nikola und Abdallah das Geschäft des Vaters führten und Särge zimmerten. In denen Mûsa die Schule besuchte. In denen Milia die Schule aufgegeben hatte und den Haushalt besorgte. Indessen habe Salîm in Theologie »herumgepfuscht«, wie die Mutter es nannte, und obendrein noch Mönch werden wollen.
    »Zum Glück hat Hadsch Nikola ihm gedroht«, hörte sich Milia mit der Stimme ihrer Mutter sagen. »An dem ganzen Unheil ist bestimmt Bruder Eugen schuld. Aber kaum hat man eine Katastrophe überstanden, schlittert man schon in die nächste.«
    Die nächste Katastrophe war die beerdigte Geschichte, von der Mansûr nun neue Bruchstücke erfuhr. Dank deren wurde ihm bewusst, dass er Milia Unrecht getan hatte. Und dass er die Geschichte aus Rücksicht auf ihren Hals, an dem sich wieder rote Striemen zeigten, erneut beerdigen musste.
    »Mich trifft keine Schuld«, erklärte sie. »Ein Bräutigam, hieß es. Also gut, ein Bräutigam, dachte ich mir. Ich willigte ein, weil sie es von mir verlangt haben. Und auf einmal war er weg. Später wurde uns klar, dass Salîm dahintersteckte. Er hatte ihn weggelockt, um Angèle heiraten zu können. Wie das alles kam, weiß keiner so genau. Was habe ich mit Salîms Heiratsplänen zu tun? Was habe ich damit zu tun, dass er diese Frau wollte? Keine Ahnung. Alles, was wir wissen, ist, dass Angèle eine ältere Schwester namens Odette hat und dass der Vater Angèle nicht hergeben wollte, bevor Odette nicht unter der Haube wäre. Deshalb überredete Salîm meinen Verlobten. Die beiden setzten sich heimlich nach Aleppo ab und bekamen Arbeit in der Schreinerei, die Jacques Estephan, dem Onkel der beiden Schwestern, gehörte. Statt dass ein Bruder seinen Bruder umbringt, bringt er also die Schwester um. Kurz gesagt: Mein Bruder ist schuld. Das sehen alle so. Anfangs habe ich das nicht wahrhaben wollen und Nadschîb verantwortlich gemacht. Ich dachte, dass Nadschîb die Sache ausgeheckt hat. Denn er ist ausgefuchster als Salîm und skrupellos. Mein Bruder ist unschuldig. Dessen war ich mir sicher. Aber keiner war meiner Meinung. Alle gaben Salîm die Schuld. Also tat ich das am Ende auch. Die Nonne aber sagte: ›Schweigt die Geschichte tot. Das sind zwei Skandale in einem. Ein Skandal um das Mädchen und ein Skandal um ihren Bruder. Der Skandal um das Mädchen liegt auf der Hand. Sie war verlobt, und die Verlobung ist geplatzt. Aber sie ist Jungfrau, genau wie Maria, gepriesen sei sie. Und sie wird Jungfrau bleiben.‹ Dies sagte die Nonne so laut, dass die Nachbarn es mitbekamen. Weiter aber sprach sie leise. Über Salîm. Er habe griechisch-katholisch geheiratet und sei zum Katholizismus übergetreten. Also vom Regen in die Traufe!«
    »Nicht so laut«, schrie Saada.
    Es war das erste Mal, dass Saada die Stimme gegen die Nonne erhob. Sonst war sie in Gegenwart der Heiligen kaum zu hören. Sie kroch geradezu vor ihr. Geduckt und mit verschluckter Stimme brachte sie nur ein heiseres Murmeln heraus. An dem Tag aber, an dem die Katastrophe eintraf, fürchtete Saada um ihre Tochter. Was mit Salîm und den beiden Frauen war, die er geheiratet hatte, interessierte sie nicht.
    »Nicht zu fassen! Was ich rede! Dass er zwei Frauen geheiratet hat«, korrigierte sie sich im nächsten Moment. »Da spricht wohl mein Herz. Es ist, als hätte er seine Schwester verschleppt und umgebracht. Pfui Teufel, du Unmensch!«
    Milia erzählte Mûsa von den beiden Schwestern. Erzählte ihm, dass sie sich ähnlich sähen.
    »Beide sind mittelgroß«, beschrieb sie. »Sie haben ein weißes rundes Gesicht, eine lange Nase, Lippen so schmal, dass man sie kaum sieht. Dafür aber sieht man ihr Zahnfleisch. Die Zähne sind ausgesprochen klein. Salîm hat die Schlanke geheiratet und seinem Freund Nadschîb die Dicke überlassen. Das war’s.«
    »Wo hast du sie gesehen?«, fragte Mûsa.
    »Auf dem Burdsch-Platz zusammen mit Salîm. Ich wollte zu Nikola und Abdallah ins Geschäft in der Schreinergasse. Ich schlenderte gerade über den

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