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Als schliefe sie

Als schliefe sie

Titel: Als schliefe sie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elias Khoury
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gestern noch verwandelt habe?«
    »Gestern?«
    »Tu doch nicht, als wüsstest du von nichts!«
    »Nein, nein. Ich weiß schon. Und zwar, dass du auf deine Gesundheit achten musst. Und dass wir zurück nach Beirut müssen! Wo ist der Fahrer?«
    »Ich habe ihm seinen Lohn gegeben. Und er hat sich nach dem Frühstück auf den Weg nach Beirut gemacht.«
    »Und wir?«
    »Wir bleiben noch zwei Nächte. Dann fahren wir nach Beirut, und von dort geht es nach Nazareth.«
    »Nein, wir müssen heute zurück. Es ist kalt.«
    Sie nahm ihm gegenüber Platz, aß ein wenig Käse, trank eine Tasse Tee und sah ihm zu, wie er alles, was vor ihm auf dem Tisch stand, in sich hineinschlang.
    Milia hatte Hunger, wusste aber, dass sie angesichts des Heißhungers, den Mansûr an den Tag legte, nur wenig essen würde. Sie würde sich damit begnügen, ihm zuzusehen und sich daran zu freuen, mit welchem Genuss er zulangte. Er sei der erste Mann auf Erden, dem das Essen seiner Frau besser schmecke als das seiner Mutter, würde er sagen. Ihm zuhörend, würde sie an ihre Brüder in dem alten Haus in Beirut denken. Daran denken, dass die drei sich wohl oder übel wieder an das fade Essen der Mutter gewöhnen müssten. Aber der Weg zu ihnen war wegen der Unruhen in Palästina versperrt. Und Briefe kamen nicht an. Deshalb beschloss sie, auf ihre Art mit Mûsa zu sprechen. Sobald Mansûr zur Arbeit aufbrach und sie allein im Haus war, rief sie ihn. Und schon erschien er. Sie sah ihn leibhaftig vor sich. Sie stellte ihm Fragen, und er antwortete. Sie klagte ihm ihr Leid. Erzählte ihm von ihrer Einsamkeit, ihrer Angst und ihrer Sehnsucht nach dem Duft der Paternosterbäume im Garten ihres Hauses.
    Milia und Mansûr verbrachten drei Tage in dem Hotel, in dem sich keine weiteren Gäste aufhielten. Nur Herr Masâbki und seine beiden Helferinnen waren da. Das schneebedeckte kleine Bassin im Hotelgarten. Mansûrs Stimme, immerzu Gedichte aufsagend, und seine Hand, die ihre haltend.
    »Das ist der König«, sagte Mansûr. »Und der Mann, der neben ihm steht, das ist der Dichterfürst Ahmad Schauqi 20 . Der König hat sich aus dem Staub gemacht, als die Franzosen Damaskus angriffen. Dann hat er sich zum König Iraks erklärt. Was für eine Schande! Hat man so etwas schon gehört! Ein König, der sein Königreich für ein anderes verrät! Aber so sind wir eben! Und Ahmad Schauqi steht da und beweint die Stadt Damaskus, die von der französischen Armee mit Kanonen beschossen wird.

    Baradas Ostwind sagt mit schlaflosen Grüßen:
    Damaskus, die Tränen werden ewig fließen!«

    Halb wach, halb schlafend spürt Milia ein Feuer in den Knochen lodern. Sie tritt in den Garten hinaus, greift in den Schnee und verschlingt ihn gierig. Der Schnee schmilzt auf ihren brennenden Lippen. Durst verzehrt sie. Sie liegt neben Mansûr im Bett. Er packt sie mit seinen kräftigen Händen. Sie schläft im Feuer ein, träumt. Die kleine Milia aber wird sich erst drei Monate später wieder zeigen. Ihren Platz hat eine vierundzwanzigjährige Frau eingenommen. Sie schwebt über dem Nebel von Dahr al-Baidar, taucht in eine rätselhafte Welt ein, geführt von einer blauen Frau, die sie nicht kennt.

Die zweite Nacht
    Es war dunkel.
    Milia lag mit Schmerzen im Bett. Schmerzen, die krampfartig vom Unterleib aufstiegen. Sie hatte das Gefühl zu ersticken. Hatte das Gefühl, eine Faust bohre sich ihr in den Unterleib. Ihr Körper war gelähmt, der Kopf schwer. Sie öffnete die Augen, sah nichts. Der Schmerz breitete sich aus, verflog und hinterließ eine dumpfe Erinnerung.
    Nach neun Monaten war nun der Zeitpunkt gekommen.
    Erneut befielen sie Schmerzen. Der Bauch krampfte sich zusammen. Und da erschien ihr ihre Großmutter. Warum war Umm Jûsuf all die Jahre aus ihrem Gedächtnis wie weggewischt gewesen? Und warum tauchte sie ausgerechnet an diesem Tag wieder auf?
    Das weiße Haar hinten im Nacken zu einem Dutt zusammengeschlungen, saß sie bewegungsunfähig im Bett und schwieg. Ein alter Kater schlich umher, traute sich nicht, zu ihr aufs Bett zu springen.
    Hasîba Haddâd, auch Umm Jûsuf genannt, starb, als Milia dreizehn Jahre alt war. Mit ihrem Tod verschwand sie aus dem Gedächtnis der Enkelin, in das sie ohnehin nicht eingegangen war. Aber warum tauchte sie ausgerechnet an diesem Tag wieder auf? Und warum der Kater?
    Milia erwachte aus dem Schlaf. Sie öffnete die Augen. Es war ein strahlend heller Morgen. Sie setzte sich auf und tastete, wie sie es immer tat, mit den Füße nach

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