Als wir Roemer waren
So ging es eine ganze Weile hin und her, und ich dachte, »das macht Spaß«, aber dann hat er mich angeguckt, wie wenn ich ihm echt leidtue, und gesagt, »du vermisst deine Mutter wohl sehr.« Das hatte er vorher auch schon gesagt, das war nichts Neues, deswegen war ich nicht überrascht, ich hab gedacht, »was soll ich sagen? Au ja, ich sag einfach wieder ›mir gehts gut‹«, aber dann ist was Komisches passiert. Plötzlich konnte ich nämlich gar nichts mehr sagen, weil ich geweint hab, ich weiß auch nicht, wo das herkam, ich wollte sagen, »mir gehts gut«, aber es ging nicht, die Worte sind stecken geblieben.
Das war seltsam, das war blöd. Ich hab gedacht, »du hast
mich reingelegt, du Spinne«, und ich habs auch gesagt, ich hab gesagt, »ich hasse Sie total, Doktor McKay.« Aber er hat sich nicht aufgeregt und ist auch nicht wütend geworden, er hat mich nur ganz lange angeguckt und gesagt, »es tut mir leid, das zu hören, Lawrence«, er hat gesagt, »und warum empfindest du so?«, und dann ist was Oberüberseltsames passiert. Ich hab nämlich was gesagt, aber ich weiß nicht, wo es herkam, es war, wie wenn ich plötzlich die Worte von einem anderen im Mund hatte, wie wenn sie sich reingeschlichen hatten. Ich hab gesagt, »ich hasse dich, Mum.« Aber Doktor Mckay war nicht überrascht, obwohl ich »Mum« zu ihm gesagt hab, das war komisch, er hat bloß mit seiner normalen Stimme gesagt, »warum denn, Lawrence?«, und ich war so müde, wie wenn mein ganzer Atem aus mir raus war, und ich hab gesagt, »weil du uns im Stich gelassen hast, weil du eine Verräterin bist. Weil du uns die ganze Zeit angelogen hast.«
Hinterher bin ich mit Dad nach Hause gefahren, und wir haben nichts gesagt. Ich hab mir bloß die Wolken angeguckt und gedacht, »die da sieht aus wie ein großer Hund.« Er hat vor dem Haus geparkt, und ich hab mich nicht gerührt, ich hab mich nicht abgeschnallt, und wie er gesagt hat, »sollen wir reingehen, Larry?«, hab ich auch nichts gesagt, ich hab gedacht, »ich bleib einfach ganz still hier sitzen.« Wir sind dann ewig so sitzen geblieben, das war komisch, Leute sind vorbeigegangen, und manchmal haben sie uns bemerkt und zu uns reingeguckt, aber wir haben kein Wort gesagt. Und zum Schluss hat Dad seine Tür ein kleines bisschen aufgemacht und gesagt, »ich muss wohl mal langsam anfangen, uns was zum Abendessen zu kochen«, und ich hab gedacht, »jetzt muss ich wohl was sagen«, und ich hab mich dazu gezwungen, ich habs gesagt, ich habs einfach gemacht, ich hab gesagt, »es tut mir leid, dass ich dein Haus angesteckt hab«, und er hat mich angeguckt und mir einen Klaps auf
den Rücken gegeben, aber es hat nicht wehgetan, es war freundlich gemeint, und er hat gesagt, »ist schon gut, Larry. Mir tut auch einiges leid. Es tut mir verdammt leid, dass ich so oft auf Geschäftsreise war.« Dann hat er was Interessantes gesagt. Er hat gesagt, »wenn es geht, sei nicht böse auf sie, Larry«, er hat gesagt, »ich weiß, sie und ich sind nicht gut miteinander ausgekommen, aber ich möchte nicht, dass du sie hasst. Das ist nicht gut für dich.« Er hat gesagt, »sie ist nicht böse, sie kann die Dinge nur nicht so sehen, wie sie wirklich sind.« Das war neu, das war anders. Ich hab gesagt, »okay, Dad.« Und manchmal denk ich da noch dran.
Ein paar Tage später sind wir in den Zoo gegangen. Diesmal hab ich uns hingehen lassen, und es war richtig schön. Ich hab gedacht, »ich weiß gar nicht, wieso ich uns nicht hingehen lassen wollte.«
Seit dem Abend ist alles ein bisschen normaler geworden. Dad klopft morgens an die Tür und sagt, »aufstehen, ihr Faulpelze, es wird Zeit«, er macht uns Frühstück, Marmeladentoast, und dann fährt er uns mit seinem gelben Auto in die Schule, es hat eine Anlage, Mums war kaputt, deswegen können wir Musik hören. Manchmal holt Oma Edith uns von der Schule ab, oder wir gehen zu Sarah, Bill, Jimmy und Louisa, bis Dad uns abholen kommt. Manchmal fahren wir ein paar Tage ans Meer, da ist es schön, und wenn es nicht regnet, kann man Mull und Skye sehen. Wir besuchen oft unsere Vettern und unsere Kusine in Glasgow, Robbo sagt, das mit dem Rennauto ist nicht so schlimm, die Rennbahn war nicht kaputt, und er hat ein neues blaues Auto gekriegt. Manchmal denke ich, »eigentlich sind das alles nette Leute«, ich denke, »gut, dass ich sie habe.« Es ist seltsam, manchmal werd ich richtig traurig, weil sie so nett zu mir sind. Und manchmal fühle ich mich ganz ruhig und
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