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Als wir Roemer waren

Als wir Roemer waren

Titel: Als wir Roemer waren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Kneale
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»meine Tasche, wo ist meine Tasche?«
    Sie meinte ihre Handtasche, die sie immer überall mit hingenommen hat, und ich dachte, »au nein, das ist eine Katastrophe.« Mum hat gesagt, »ich hab sie unter den Stuhl gestellt, o Gott, nicht zu fassen, wie kann man nur so dumm sein, jemand muss von hinten gekommen sein und sie mitgenommen haben.« Ich hab geholfen, ich bin aufgestanden und hab unter allen unseren Stühlen nachgeguckt, aber sie war nicht da, und da dachte ich, »hab ich ja gleich gesagt, dass wir hier nicht herkommen sollen«, aber gesagt hab ich nichts, ich dachte, »ich will Mum nicht aufregen.« Ich sagte, »war da dein ganzes Geld drin?«, und sie sagte, »nein, Gott sei Dank, den Geldbeutel hab ich in meiner Jacke«, und ich dachte, »ein Glück«, aber da hat sie schon wieder so geguckt, wie von einer anderen großen Biene gestochen, und gesagt, »mein Pass, o Gott, ich hab ihn mitgenommen, falls ich ihn bei der Wohnungsbesichtigung vorzeigen muss.«
    Das war schlimm, Mum hat sich am Arm gekratzt, und ich dachte, »ich muss ihr helfen, sonst fällt sie in ein tiefes Loch.« Plötzlich hab ich den Dieb total gehasst, ich hab mir gewünscht, wir hätten uns nicht in einer Reihe hingesetzt, dann hätte ich ihn gesehen, ich hätte ganz laut geschrien und ihn verjagt. Ich wär hinter ihm hergelaufen und hätte dafür gesorgt, dass die Polizei ihn für immer ins Gefängnis sperrt, ich hätte ihn in die Luft gesprengt, ich hätte mich aufgeführt wie Caligula. Ich sagte, »warte hier, Mum. Ich geh rein und frag Dschina«, und ich bin schnell in die Bar gerannt, aber es hat nichts genützt, sie hat mich nicht verstanden, weil sie nur Italienisch konnte, sie hat bloß die Hände hochgehoben, wie wenn sie sich ergibt, und »Banjo? « gesagt, das heißt Klo.

    Wahrscheinlich war es ein Fehler, dass ich Mum allein gelassen hab, weil, wie ich wieder zurückgekommen bin, hat Jemima ein ängstliches Gesicht gemacht, weil Mum immer schneller geredet hat, sie sagte, »wir müssen in einer halben Stunde bei der Besichtigung sein, und jetzt kann ich mich überhaupt nicht mehr ausweisen«, dann sagte sie, »o Gott, und es ist auch noch Freitag, die Botschaft hat übers Wochenende geschlossen. Ich fass es einfach nicht.« Sie hat sich mit den Fingern in ihre Haare gekrallt, und dann hat sie noch mal unter den Stühlen nachgeguckt, aber natürlich war die Tasche immer noch weg, ich dachte, »die kommt nicht von alleine wieder, Mum.« Sie sagte, »ich hatte meine ganzen Kosmetiksachen da drin, die haben ein Vermögen gekostet, und Jemimas Becher, ich weiß überhaupt nicht, was ich machen soll.«
    Ich wusste es auch nicht. Ich dachte, »und wenn sie jetzt wieder furchtbar traurig wird und kein Wort mehr redet wie in der Pension?«, ich dachte, »ich weiß nicht, wie wir wieder zu Chrissie zurückkommen, ich weiß noch nicht mal, welche Straße zur Straßenbahnhaltestelle führt, und Mum ist zu groß und schwer für mich, die krieg ich nie vom Stuhl hoch, wir müssen jetzt den ganzen Tag hierbleiben.« Ich dachte, »was soll ich machen? Ich muss was machen«, also hab ich mir von einem anderen Tisch ein paar Servietten geholt und gesagt, »Mum, sollen wir jetzt Jemimas T-Shirt abtrocknen?«, aber es hat nicht funktioniert, wie wenn Mum mich gar nicht gehört hat, sie sagte, »ich hatte die Tasche schon so viele Jahre, es war eine schöne Tasche.« Also hab ich gesagt, »weißt du was? Ich fang schon mal mit dem Abtrocknen an, und dann kannst du mir später helfen.« Aber das hat auch nicht funktioniert, Jemima hat mich weggeschubst, und sie hatte ganz komische Augen, wie wenn sie gleich anfängt zu heulen, sie sagte, »du sollst das nicht machen, das soll Mummy machen.«

    Dann ist was Komisches passiert. Mir ist auf einmal ein furchtbar schlimmer Tag eingefallen, der schon ewig lange her war. Wir waren grade nach Hause gekommen, da hat Mum gemerkt, dass sie irgendwo ihre Tasche vergessen hat, und sie wusste nicht, wo, und da waren ihre ganzen Berichte über die Bücher drin, und sie hat sich richtig Sorgen gemacht, sie wollte sofort zurückfahren und sie suchen, aber dann ist noch was Schlimmes passiert, sie konnte nämlich ihre Autoschlüssel nicht finden. Das war, bevor sie immer so traurig war, und sie hat bloß ein ernstes Gesicht gemacht und etwas echt Interessantes gesagt, nämlich: »Immer schön einen Schritt nach dem anderen.« Und so haben wirs dann auch gemacht. Der erste Schritt war, die Autoschlüssel suchen,

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