Als wir Roemer waren
stellen, sie haben überhaupt nichts gesagt. Aber ich glaube, hinterher, wie sie alle wieder nach Hause gegangen sind, wie sie sich zum Mittagessen hingesetzt haben und es so still war, dass sie hören konnten, wie die Messer und Gabeln klappern und wie die Uhr tickt, da haben sie es alle gewusst.
In der Britischen Botschaft sind wir in ein Zimmer mit Stühlen gegangen, wo ganz viele Leute gesessen und gewartet haben, und obwohl Mum sich nicht mehr am
Arm gekratzt hat, war sie immer noch ziemlich fertig, sie hat gesagt, »es gibt keine Nummern und gar nichts, woher sollen wir wissen, wann wir dran sind?« Aber ich hatte eine Idee, ich dachte, »ich geh einfach rum und frag, wer zuletzt gekommen ist, weil die sind dann vor uns dran.« Also habe ich mehrere Leute gefragt, und sie haben alle gesagt, »nein, ich nicht. Ich bin schon ewig da«, und manche waren, glaub ich, sogar ein bisschen sauer, weil sie wohl dachten, ich will mich vordrängeln, bis eine Frau mich gehört und gesagt hat, »ich glaube, die Letzten sind wir«, und so haben wir die Vanhutens kennengelernt. Die Frau hieß Janice Vanhuten und war die Mutter, ziemlich dick mit schwarzen Haaren, und sie hatte ein nettes Lächeln, deswegen war sie ein Schnuckelschwein mit einem schnuckeligen Ringelschwänzchen. Sie hat zu Mum gesagt, »und was ist Ihnen zugestoßen?«, und Mum war immer noch aufgeregt, sie hat geblinzelt und auf den Boden geguckt, und ich dachte schon, »ob sie ihr wohl überhaupt eine Antwort gibt?«, aber sie hat geantwortet und gesagt, »man hat mir in einem Café meine Tasche gestohlen«, und da hat Janice Schnuckelschwein gesagt, »ach, das ist ja furchtbar, die ganze Tasche, Sie Arme, und mir ist irgendwie der Pass abhandengekommen, ist das nicht furchtbar, eben hatte ich ihn noch in der Jackentasche, und im nächsten Moment ist er weg.« Sie sagte, »das ist kein guter Anfang, nicht wahr? Wir bleiben nämlich ein ganzes Jahr hier, wir sind gerade erst nach Trastehwere gezogen.«
Das fand Mum interessant, sie hat vom Boden hochgeguckt und gesagt, »da wollen wir auch hinziehen, und heute Nachmittag haben wir sogar schon einen Besichtigungstermin für eine Wohnung.« Und sie haben auf Janice ihren Stadtplan geguckt, der war riesig und hat laut geraschelt, und die Leute haben sich umgedreht und die Stirn gerunzelt, und Janice hat gesagt, »das ist ganz bei uns in der
Nähe. Wir wären fast Nachbarn. Sie müssen uns besuchen kommen.« Dann hat sie ihre Adresse und Telefonnummer aufgeschrieben und uns den anderen Vanhutens gezeigt.
Der Erste war Bill, der war der Vater, er war nicht aus England, wie Janice, er war Amerikaner, er war dünn und alt und hatte einen dünnen weißen Bart, deswegen war er ein Ziegenbock, er sagte, »freut mich.« Die kleine Tochter hieß Leonora, sie war drei wie Jemima, aber sie hat fast gar nichts gesagt, und wie Jemima gesagt hat, »ein Dieb hat Mummys Tasche unter dem Stuhl weggenommen«, hat sie überhaupt nicht geantwortet, bloß nervös geguckt, deswegen war sie eine Maus. Aber die große Tochter, die sechs war und Tina hieß, war total anders, wie wenn sie für Leonora mitsprechen muss, die hat in einer Tour gequatscht, über den geklauten Pass von Janice und über ihr Lieblingsessen, Rawiolis, und wie viele Puppen sie hat, und deswegen war sie ein Quasselkaninchen. Ich dachte, »ich mag diese Vanhutens, sie haben Mum wieder fröhlich gemacht.« Wie Janice mit der Frau von den Pässen fertig war und sie grade gehen wollten, weil wir jetzt dran waren, hat Bill seine Hand auf und zu gemacht, wie wenn sie ein Mund ist, und gesagt, »man sieht sich, Kinder«, was auch komisch war, ich dachte, »Mum ist doch kein Kind, sie ist alt.«
Die Frau von den Pässen hat gesagt, Mum kann erst nächste Woche einen neuen Pass kriegen, aber sie hat uns einen Zettel gegeben, damit sie uns nicht ins Gefängnis stecken können, und Mum war nicht sauer, obwohl es viel Geld gekostet hat, sie sagte, »ach Gott, ich hoffe bloß, es reicht«, aber es hat gereicht, sie hat mit ein paar blauen Euroscheinen und einem roten bezahlt. Dann sind wir wieder mit dem Bus nach Trastehwere gefahren, und nach dem Mittagessen haben wir die Wohnung besichtigt. Wie wir fast da waren, ist Mum immer aufgeregter geworden, das hab ich ihr angesehen, sie hat auf Cafés und Geschäfte
gezeigt und gesagt, »wie reizend« oder »wie praktisch«, und ich dachte, »hoffentlich kriegen wir die Wohnung, hoffentlich hat sie uns keiner weggeschnappt, weil
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