Als wir Roemer waren

hab gesagt, »gucken wir mal, wie viel Essen wir haben«, und ich hab alles gezählt und gesagt, »damit kommen wir ewig lange aus, aber wir müssen trotzdem sparen, wir dürfen nicht zu viel essen«, und Mum hat gesagt, »okay, Lawrence«, und dann, »sollen wir uns mal gründlich die Wohnung anschauen, damit wir wissen, was es hier alles gibt?« Das haben wir dann auch gemacht, wir haben in alle Zimmer geguckt, aber nichts mehr zum Essen gefunden, bloß ein paar Dosen mit Tomaten. Aber dann hat Mum gesagt, »vielleicht da oben?«, und sie hat zur Decke gezeigt, weil da eine kleine Tür drin war, eine Luke, hat Mum gesagt. Sie hat gesagt, »das will ich mir doch mal angucken«, und sie hat da den Tisch druntergestellt und einen Stuhl obendrauf und ist hochgeklettert.
    Ich hab gesagt, »pass auf, Mum«, aber sie ist nicht runtergefallen, sie hat gegen die Luke gedrückt, dass sie aufgegangen ist, und dann hat sie sich hochgezogen und war weg, sogar die Füße. Das war komisch, ich bin auf den Tisch geklettert und hab gesagt, »was ist, Mum, gibts da noch mehr Essen?«, weil ich hören konnte, wie sie da oben irgendwelche Sachen hin und her geschoben hat, und sie hat gesagt, »Essen nicht«, und ich hab gedacht, »wie schade«, aber dann gabs eine Überraschung. Plötzlich hat es Platsch gemacht, und ein großer leerer Pappkarton ist genau neben mir auf dem Tisch gelandet, und dann kamen noch zwei hinterher. Mum hat aus der Luke runtergeguckt,
und sie hatte eine Dose in der Hand, sie hat gesagt, »guck mal, was ich gefunden hab.« Ich hab nichts verstanden und gefragt, »was ist das, Mum?«, und sie hat gelacht und gesagt, »Farbe, du Dummerchen. Wir können ein neues Fort bauen.« Sie war nicht grau, sie war creme, Mum hat gesagt, sie ist für die Mauern, aber das war okay, ich dachte, »au ja, hurra.«
    Also haben wir mit dem neuen Fort angefangen. Hermann ist aufgewacht und hat durchs Gitter zugeguckt. Mum hat gesagt, diesmal brauchen wir zuerst einen Plan, sie hat ein Blatt Papier und einen Bleistift gefunden und ein Bild gemalt, sie kann wirklich gut malen, und es hatte vier Türme und dazwischen vier Mauern, damit sie nicht umkippen, und eine Fahne. Ich hab gedacht, »die Kisten sind viel größer als die Cornflakespackung, und die Pappe ist auch viel dicker«, ich hab gedacht, »das Fort hier wird fast genauso wie das, das ich mir am Abend ausgedacht hab«, und da hat es auf einmal an der Tür geklingelt. Zuerst hab ich mir nichts dabei gedacht, höchstens, »wer das wohl ist«, aber dann ist es mir plötzlich wieder eingefallen.
    Ich hab Mum angeguckt, und ihr Lächeln, das sie im Gesicht hatte, wie sie das Fort gemalt hat, war plötzlich weg, wie wenn es einer ausgeknipst hat, sie hat mit den Augen geblinzelt und mit den Fingernägeln über ihren Handrücken gekratzt. Ich hab aus dem Fenster zu Dads Haus rübergeguckt, und die Läden waren noch auf, aber dann hab ich gedacht, »das heißt noch lange nicht, dass er da drüben ist.« Ich hab gesagt, »und wenn er es gar nicht ist, Mum? Vielleicht jemand Nettes wie die Vanhutens oder deine Christen.« Aber Mum hat nichts gesagt, bloß den Kopf geschüttelt. Ich bin aufgestanden, der Türöffner war direkt neben mir an der Wand, ich hab gesagt, »sollen wir nicht rausfinden, wer es ist? Wenn es jemand Nettes ist, können wir sie fragen, ob sie uns noch mehr Essen bringen«, aber
Mum hat den Türöffner zugehalten und gesagt, »wenn er es ist und wir aufmachen, weiß er, dass wir hier oben sind.«
    Ich hab gedacht, »na gut«, und mich wieder hingesetzt, ich hab gedacht, »dann machen wir eben gar nichts.« Ich hab mir Mums Bild von dem Fort angeguckt und gesagt, »und wo soll der Feind hin?« Mum hat sich auch hingesetzt, und dann haben wirs gehört. Die Wohnungstür war nämlich hinter uns, deswegen konnte man direkt da durch hören, und auf einmal war da ein Geräusch, ziemlich leise, »tapp tapp tapp«. Es waren Schritte. Ich hab Mum angeguckt, und sie hat die Augen aufgerissen, ich hab gesagt, »bestimmt geht da nur einer zu seiner Wohnung«, weil es nämlich haufenweise Wohnungen in dem Haus gab, aber dann sind die Schritte immer lauter geworden. Da ist Mum aufgestanden und in die Küche gerannt und mit einem Messer wiedergekommen, keins von den kleinen aus meinem Bett, sondern ein großes, mit dem man sogar ein Hühnchen klein schneiden kann, und sie hat geflüstert, und obwohl ihre Stimme leise war, war es, wie wenn sie schreit, das war komisch, das war,