Als würde ich fliegen
musste sie sich selbst vorstellen, erst Riley, dann seinem Kollegen.
Antoney hielt es nicht aus. »Riley, ich rufe dich an«, sagte er. »Wir müssen ein paar – werbetechnische Dinge besprechen.« Audrey fuhr sich durchs Haar. »Ich weiß, es ist furchtbar, dass ich ihn einfach entführe. Aber das Showbiz hat nie Pause.«
Er führte sie mit festem Griff am Ellbogen fort. »Was willst du?«, fragte er, als sie draußen waren.
»Was ist denn das für ein Empfang?«
»Mich so in Verlegenheit zu bringen – was für ein Scheißspiel treibst du da, Mädchen?«
»Antoney, du bist so barsch, du willst mich doch nicht verletzen. War das ein Freund von dir? Ich wage die Behauptung, dass er in dich verknallt ist. Eindeutig schwul. Kann es ihm nicht verübeln. Wie geht’s dir? Du fehlst mir.«
»Hör zu …«
»Habe ich dir denn gar nicht gefehlt?«
» Nein .« Er zog sie weiter die Straße hinunter. »Ich hab an dem Abend total neben mir gestanden, okay? Es ist nie passiert. Ich war vollkommen high.«
»Ja, ich weiß.« Sie klang enttäuscht.
»Also belassen wir es dabei. Und jetzt geh ich nach Hause zu meiner Frau.«
»Aber vorher trinkst du noch etwas mit mir.«
»Nein.«
»Nur ein kleiner Abschiedstrunk. Als Freunde, versprochen. Ich kenne da eine nette Bar.«
Was hatte sie an sich? War es nur ihr Haar? Besaß sie die magische Gabe der Überredung? Oder war es der einzige Weg, sie loszuwerden?
»Nur ein Drink«, sagte er. »Mir ist es ernst.«
Eine Kellerbar. Weiße Hocker, rotes Licht. Audrey war so perfekt auf die Umgebung abgestimmt, als hätte man die Bar für sie eingerichtet. Es war ja nur ein freundschaftlicher Drink. Und sie benahm sich. Sie war weniger hochmütig, sogar ein wenig unterwürfig, wenn man bei ihr überhaupt von Unterwürfigkeit sprechen konnte. Sie erzählte ihm von ihrer Familie, sie hatte vier Onkel, allesamt Geschäftsmänner, einem gehörten einige Nachtclubs in Soho. Dempsey war angeblich ihr Lieblingsonkel. Manchmal durfte sie ihm bei der Innenausstattung helfen, sie fand es toll, das Ambiente für einen fantastischen Abend außer Haus zu gestalten.
Ihre Gesellschaft konnte ziemlich angenehm sein, wenn man nicht allzu viel Tiefgang erwartete. Man konnte locker und gut mit ihr plaudern. Als das Gespräch auf privatere Themen zusteuerte, vertraute Antoney ihr sogar an, welche Schwierigkeiten er damit hatte, die Compagnie noch einmal zum Leben zu erwecken, dass die Vertreibung aus der Kirche drohte, dass eine Familie für einen Mann in seinem Metier oftmals eine große Belastung war.
»Das klingt wirklich hart«, sagte Audrey. »Ich weiß sowieso nicht, wie du das machst, so von der Hand in den Mund. Was würde geschehen, wenn du die Kirche verlierst?«
»Ich könnte nirgendwo proben, neue Tänze entwickeln. Ich kann keine Miete zahlen. Das ist mein Reich. Es wäre das Ende.«
Sie wurde nachdenklich und spielte mit dem Strohhalm zwischen den Eiswürfeln in ihrem Cocktail herum. »Also, Dempsey hat ja eine Schwäche für Kirchen. Er mag Sakralgebäude und alte Ruinen. Heilige Bauten, wie er sie nennt. Wie sieht die Kirche denn aus?«
»Schön. Sie hat eine Tür wie Notre-Dame.«
»Vielleicht sollte er sich die Kirche einmal ansehen.«
Als Kind hatte Dempsey nämlich davon geträumt, Priester zu werden, erzählte sie.
Er hatte Priester für die mächtigsten Menschen auf Erden gehalten – bis er begriffen hatte, wie viel Geld man mit Alkohol verdienen konnte. Sollte ihm die Kirche gefallen, könnte es gut sein, dass er sie als Investition in Betracht ziehen würde, »womit er zu deinem Förderer oder so was würde, oder nicht? Würde dir das die Schweinehunde vom Hals halten?«
»Das würde helfen«, erwiderte Antoney.
An jenem Abend kehrte er sehr beschwingt heim und gab Carla wie auch Denise, die gemeinsam im Bett lagen, einen Kuss. In letzter Zeit bot sich ihm, wenn er spät nach Hause kam, immer das gleiche Bild, sie lagen Bauch an Rücken, obwohl Carla früher entschieden die Meinung vertreten hatte, ein Kind solle so früh wie möglich lernen, in seinem eigenen Bett zu schlafen. »Ich fühle mich sicherer, wenn sie bei mir ist«, hatte sie ihm anvertraut. »Es ist so dunkel da draußen auf dem Uferweg.«
Dempsey schickte Audrey vor, um das Gebäude zu inspizieren. Sie war pünktlich und professionell, erschien in violetten Schlaghosen, mit einer strengen Falte in der Mitte. Sie fuhr in einem offenen Sportwagen mit pfirsichfarbenen Polstern vor. Die Sonnenbrille
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