Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Als würde ich fliegen

Als würde ich fliegen

Titel: Als würde ich fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Evans
Vom Netzwerk:
der Blitz Peterjohn traf, setzte sich sein Lieblingssohn im Bett auf und war wieder gesund. Er wurde ein sehr, sehr großer Junge und kannte keine Angst vor Gewittern. Es hieß sogar, dass der Blitz immer noch in seinen Augen war. (Na gut, das am Schluss ist wohl doch ein wenig gelogen.)

11
    Nachdem sich das Midnight Ballet aufgelöst hatte, bot sich Antoney die Gelegenheit, an einem College Modern-Dance-Kurse zu geben, manchmal holte ihn sogar das renommierte The Place. Doch das Unterrichten lag ihm nicht. Er erzählte – mehr zu seiner eigenen Unterhaltung – Anekdoten über Katherine Dunham und die Tage im Souterrain von Oscar Day, oder er erklärte den Unterschied zwischen einer Number 11- und einer Juli-Mango. Er trug verwaschene Gymnastiktrikots mit lockeren Hosen, und wenn er umherlief, ließ er die Hände an den Trägern auf- und abgleiten. Die ernsthaften, die begabteren Schüler mochten ihn, sie hatten ihren Spaß, aber die Übrigen fanden ihn unausstehlich. Er favorisierte wenige Einzelne, andere übergoss er mit ätzender Kritik. »Wie alt bist du, Mädel? Du tanzt, als wärst du schon neunzig.«
    »Musst du unbedingt wie ein Ochse vor mir rumtrampeln? Das kann man sich ja nicht ansehen!« Manche Schüler kamen ein Mal und nie wieder.
    St. Bernard war zurück in die Hände von Kensington und Chelsea gefallen. Kostüme, Tonbänder, Dokumente und sämtliche Fotografien – bis auf den Petruschka-Nijinsky über der Küchentür, er verblieb dort als Reminiszenz – wanderten in eine Truhe und wurden bei Riley gelagert, bis Antoney Platz in einem größeren Heim dafür hätte. Das Einzige, was er mit nach Hause nahm, waren die Kostüme von »Shango Storm«, das Porträt von Katherine, an die Säule gelehnt, und, auf Carlas Bitte hin, Blueys Cowbell. Antoney richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf Carla und das künftige Baby, das, so hoffte er, ein Junge würde. Er wollte mit ihm Bus fahren. Er wollte mit ihm ins Theater gehen, und dann würden sie dort nebeneinandersitzen, die Beine überkreuzt, das Kinn auf den Händen aufgestützt. Er wollte seinem Jungen sagen, wenn er davon träumte, ein Drachen zu werden, dann sollte er danach streben, denn man bekam im Leben nur eine Chance. Er wollte es richtig machen. Obwohl er manchmal das Gefühl hatte, dass er in dieses neue, untänzerische Leben gewissermaßen konvertieren musste, dass er von seiner Natur abfiel, schenkte ihm seine Familie doch auch Trost, und ganz so furchtbar war es nicht. Er kaufte Carla Geschenke auf dem Markt, farbige Schals und Armreifen.
    Die zweite Schwangerschaft machte es Carla schwer. Ihr war ständig übel, und ausgesprochen reizbar war sie auch. Sie wollte helfen, für das neue Heim zu sparen, und hatte eine Stelle als Kellnerin in einem Café angenommen. Um überhaupt durch den Tag zu kommen, musste sie regelmäßig Kohlenhydrate zu sich nehmen. Der Hunger war unerbittlich. Sie bekam fettige Haut. Ihre Knöchel schwollen an, weil sie so viel auf den Beinen war. Wenn Antoneys Blicke darauf fielen, flüsterte ihm eine leise Sorge zu, dass der Tag kommen würde, an dem Carlas Schönheit nicht mehr vor ihm, sondern in ihr wäre, der Tag, an dem er sich an ihre Schönheit erinnern und nach ihr suchen müsste, an dem das Bemühen um Liebe schwerer würde. Carla spürte, dass seine Zuneigung schwankte, wodurch sie sich noch plumper und unattraktiver vorkam und noch launischer wurde. Als sie im fünften Monat war, musste sie ihre Stelle aufgeben. Eines Tages brachte ihr Antoney eine violette Schmuckschatulle mit, in der drei Paar identischer Ohrringe und für Denise vierzehn Haarklammern lagen. »Was ist nur mit dir los?«, fragte sie. »Warum konntest du nicht einfach ein oder zwei kaufen?« Er sagte, er habe ihr damit eine Freude machen wollen.
    Nach dem Unterricht ging er oft zu Riley und klagte über einem Brandy. Er roch nach Tanzschweiß, einem rauen, esoterischen Geruch. »Hast du inzwischen einen Kerl gefunden, Riley?«, fragte er ihn eines Abends, woraufhin Riley vor lauter Verlegenheit in seinen Brandy hüstelte. »Beziehungen unter Kerlen sind doch bestimmt viel einfacher, nicht so kompliziert und nörgelig. Ich kann ihr im Moment gar nichts recht machen.« Riley erwiderte mit kaum verhohlener Befangenheit, dass Antoney mit seiner Vermutung, was Beziehungen zwischen Männern anging, wahrscheinlich recht habe.
    Kurz vor Weihnachten, im Jahr 1973, traf Carla zufällig Simone auf der Kilburn High Road. Sie umarmten sich spontan

Weitere Kostenlose Bücher