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Als würde ich fliegen

Als würde ich fliegen

Titel: Als würde ich fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Evans
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Zeiten gegeben, da brauchte er sich keinen zu bestellen, da hatten sich die Leute regelrecht überschlagen, ihm einen auszugeben. Und wie ein Echo seiner Gedanken erklang hinter ihm eine markante Stimme.
    »Antoney Matheus. Na, dass ich dir hier über den Weg laufe.« Er fuhr herum. Da stand Audrey.
    Sie hatten sich seit jener Nacht, seit er ihr Sofa zerstört hatte, nicht mehr gesehen, und am liebsten hätte er sie ignoriert. Aber sie lächelte ihn in ihrer verspielten Art aufrichtig an. Ihr Haar glühte im Schein der Lampen, ihre grün getuschten Wimpern passten zu einem beeindruckenden Smaragd an ihrem Hals. Sie trug ein eng anliegendes, silbernes Kleid und ein betörendes Parfum, so elegant wie immer. »Gott, bist du alt geworden«, sagte sie, so taktlos wie immer. In dem Moment wollte er gehen, aber sie tätschelte sein Bein und zog einen Hocker heran. »Keine Sorge, ich habe es neu aufpolstern lassen – ist so gut wie neu. Wie geht es dir? … Wodka mit Zitrone, bitte«, sagte sie an den Barmann gewandt. »Nimmst du auch noch einen, um der alten Zeiten willen?«
    »Ich bin mit meiner Frau hier«, erwiderte er.
    »Deiner Frau? Wie reizend – wie geht es ihr?«
    Schon ein wenig entspannter erwiderte Antoney, sie sei in die Show vertieft, die, so fand Audrey, weit überschätzt wurde. Er erzählte ihr, dass sie ein zweites Kind erwarteten.
    »Deshalb siehst du so elend aus«, sagte sie. »Kinder sind so kräftezehrend. Ich will keine Blagen, die sind mir viel zu unberechenbar – und dann quengeln und zerren sie auch noch ständig an dir herum. Tanzt du eigentlich noch?«
    Sie bestellte ihm einen Rum-Cocktail. Audrey war zwar einige Jahre älter als Antoney, aber in diesem Moment beneidete er sie um ihre Freiheit und jugendliche Unbefangenheit. »Ich unterrichte.«
    »Wirklich? Irgendwie sehe ich dich nicht als Lehrer. Oh, Darling, du hast doch nicht etwa Notre-Dame verloren?«
    »Dieser Dempsey-Scheiß. Er und Priester? Den ganzen Mist hast du doch bloß erfunden.«
    »Habe ich nicht. Er wollte wirklich Priester werden.«
    »Aber von meiner Kirche hat er nie was gehört.«
    »Sei mir nicht böse. Aus Begierde greift man schon mal zu einer List.«
    Sie gab ihm einen koketten Knuff. »Wir hatten doch auch ziemlich viel Spaß, oder nicht?«
    Antoney zog die Luft durch die Zähne. Es brachte nichts, ihr böse zu sein, und so wechselte er lieber das Thema. Wieder musste er feststellen, wie unterhaltsam sie war, wenn auch ein richtiges Biest.
    Carla hatte unterdessen den Zuschauerraum verlassen und den Waschraum aufgesucht. Unter einem harschen Licht überprüfte sie im Spiegel ihr hochgezerrtes Haar, beklagte ihre müden Augen und die aufgedunsene, fettige Haut. Sie konnte es kaum erwarten, wieder ihr altes Selbst zu sehen. Auf dem Weg zurück in den Zuschauerraum steckte sie kurz den Kopf in die Bar, um zu schauen, ob Antoney noch da war. Sie sah ihn von hinten, im Gespräch mit einem Mädchen.
    Das Erste, was ihr auffiel, war nicht das flammenfarbene Haar, sondern dass diese Frau eine Frau ohne Mühsal war. Ihre Haltung, ihre Kleidung, die Art, wie sie dasaß, wie sie die Hände bewegte, all das war vollkommen unbeschwert. Ihre cremefarbenen, konturierten Knöchel entwuchsen hochhackigen Schuhen. Es war nichts Verdächtiges zwischen ihnen. Carla neigte ohnehin nicht zur Eifersucht – und Antoney lernte ständig irgendwelche Frauen kennen. Aber als er aufstand, geschah etwas, und das war verräterisch. Die Frau, diese Frau-ohne-Mühsal, sah an Carlas Mann, an seinem Körper auf und ab, voller Besitzerstolz, und an diesem Blick erkannte Carla, dass sie seine Geliebte war. Zum zweiten Mal brach ihr das Herz, aber dieses Mal flossen keine Tränen.
    Als Antoney zu seinem Platz zurückkehrte, wurde er nicht zur Kenntnis genommen. Er legte wieder, wie zuvor, eine Hand auf ihren Schoß. Ein Schmerz durchfuhr Carla, im Rücken, tief unten in der Wirbelsäule, es tat weh, wenn sie heftig atmete. Als das Stück vorbei war, als sie in der Lobby darauf wartete, dass er sich von Bekannten verabschiedete, wurde es immer schlimmer. Sie musste schließlich stören und sagte ihm, sie würde nun gerne nach Hause fahren, und ging allein zum Ausgang vor. Im Bus zurück zur Ladbroke Grove schwieg sie, entwand ihm ihre Hand. Er glaubte an einen pränatalen Stimmungsumschwung.
    Sie stiegen an ihrer Haltestelle an der Kanalbrücke aus dem Bus, doch anstatt weiter zu ihrer Mutter zu gehen und Denise zu holen, zog Carla den Schlüssel

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