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Als würde ich fliegen

Als würde ich fliegen

Titel: Als würde ich fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Evans
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Körper zuckte unentwegt. Sie trug ein weißes Rüschenkleid, ihr Rock war von allen der weiteste, und wenn sie sich hierhin und dorthin beugte, hielt sie den Rock zwischen den Fingern, sodass sie wirkte, als wäre sie Wind, als könnte sie zwei Geißböcke vor sich herwehen. Antoney wurde beim Beobachten rastlos, er musste etwas tun, er wollte auf der Stelle aufstehen und dieses Etwas tun, doch er wusste gar nicht, was es war. Diese Frau war aus einem anderen Stoff als er, sogar als Mr. Rogers. Sie war nicht von dieser Welt.
    Antoney lernte in diesem Moment etwas Wichtiges, etwas, das ihn immer begleiten sollte. Er lernte, dass man beim Tanzen mehr sein kann als man selbst.
    Katherine und ihre Truppe führten verschiedene Stücke auf, es war ein darstellender Tanz, der Geschichten erzählte. Die Geschichte, die Antoney am meisten mochte, handelte von einem Jungen, der in eine Schlange verwandelt wurde; das Stück hieß »Shango«. Als der Junge bei einem Opfer für Shango einen weißen Hahn tötete, fuhr ein böser Geist in ihn ein. Der Junge zischte und glitt in schlangenartigen Windungen über die Bühne, bis er von Shango selbst besessen wurde, und von da an wurden seine Bewegungen wild und wüst. Shango war von der Verführungsmacht der Superhelden, wie ihr die kleinen Jungen gern erliegen; er schüttelte den Kopf, stampfte mit den Füßen, schleuderte die Arme umher und trieb seine Anhänger zur Raserei. Auf dem Höhepunkt des Stücks stand der Junge mit weit ausgestreckten Armen auf dem Altar und ließ sich von der Menge anbeten. Antoney war wie hypnotisiert. So stark, so furchtlos wollte er sein. Er wollte eine Schlange in seinen Bann schlagen, und die Menschen sollten seinen Namen rufen.
    »Na«, sagte Mr. Rogers, »möchtest du sie nicht doch kennenlernen?«
    Das Publikum erhob sich und strömte zu den Ausgängen. Die Vorhänge waren geschlossen. Antoney brauchte einige ferne, verschwommene Momente, um sich zurechtzufinden und zu seinem Vater zurückzukehren.
    »Was ist denn, Junge? Siehst ja aus, als wärst du vor eine Wand gelaufen.«
    »Ich weiß nicht, ob ich sie kennenlernen will, Mr. Rogers.«
    »Für mich sieht es so aus.«
    »Aber sie kennt mich doch nicht. Das könnte peinlich sein.«
    »Hör zu, ich weiß ganz sicher, dass sie eine sehr nette Lady ist – mach dich groß und komm mit.«
    Sie gingen hinaus in die Lobby, wo Mr. Rogers auf den Theaterleiter stieß, mit dessen Hilfe er manchmal einen Auftritt arrangierte. Es war ein gewaltiger Mann mit ebensolcher Sonnenbrille. Mr. Rogers sagte ihm, dass sein Sohn gerne Miss Dunham kennenlernen würde. »Mein Junge is ständig in Bewegung«, sagte er. »Genau wie die Tänzer.« Der Manager lachte und sagte, ja, er habe auch so einen Sohn.
    Sie mussten lange warten und standen in der Lobby neben der Tür zum Zuschauerraum. Der Vorraum leerte sich, es wurde spät. Antoney befürchtete allmählich, dass er Katherine nun doch nicht kennenlernen würde, denn auf einmal war es sein dringendster Wunsch. Es gab eine Frage, die er ihr unbedingt stellen musste, und diese Frage drängte all seine Angst vor Katherine in den Hintergrund. Wenn er diese Frage nicht stellen konnte, wüsste er nicht, wie es weitergehen sollte.
    Schließlich führte sie der Theatermanager, immer noch mit Sonnenbrille, durch eine Seitentür hinter die Bühne. Mr. Rogers redete und scherzte mit ihm. (Wie konnte Mr. Rogers in so einem Moment nur so lässig, so gewandt sein?) Antoney schaute sich in der trüben Dunkelheit um. Dies also war, was hinter der Zauberkunst lag. Dies also war der Ort, an dem man das Kaninchen und den hohen schwarzen Hut holte. Hier sorgte der Zauberer dafür, dass er die Jungfrau nicht zersägte. Dies war ein so unordentlicher, staubiger, verschlungener, durchtriebener Ort, die Wände rauchschwarz, und so viel lag herum – Musikinstrumente, Leitern, ein Strohhut, ein englisches Teekleid an einem Bügel. Hier spürte man nichts von der Großartigkeit der Bühne, und doch machte dies hier die Bühne erst möglich.
    Der Theaterleiter erzählte gerade, Miss Dunham wünsche, dass ihre Garderobe auf ganz bestimmte Weise hergerichtet wurde, dass sie Stoffe, Obst und Bücher um sich wollte, er hatte also einiges für sie vorbereiten müssen. Sie wusste genau, was sie wollte. Das Gespräch verschlimmerte Antoneys Verzagtheit noch. Als sie zu der Garderobe kamen, die am Ende einer schmalen Treppe lag, wäre er am liebsten davongelaufen. Aus dem Innern drangen laute

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