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Als würde ich fliegen

Als würde ich fliegen

Titel: Als würde ich fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Evans
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Bewegung kommt aus dem Alltag. Das, was wir hier machen, damit folgen wir dem Wind. Lasst uns sehen, wohin er uns trägt. Keine Wände, keine Grenzen, keine Genres. Das ist alles.« Er wandte sich sofort wieder an Oscar. Er war nicht zum Reden geboren, aber auf seine Weise war er aufrichtig und bezwingend.
    »Also«, sagte der Lehrer. »An die Arbeit.«
    Als Simone de Laperouse ihr Weinglas und dann ein weiteres geleert hatte, als Lucas mittrank, als es in der Grove Brasserie lebhafter wurde und Jake seine Schicht beendet hatte, an deren Ende die Begleichung der Rechnung vorgetäuscht worden war, versammelte Simone all jene, die es ins Midnight Ballet geschafft hatten. Wenn man zu so etwas gehört, sagte sie, wird das Studio dein Zuhause, das Tanzen dein Atem, die Kollegen deine Brüder und Schwestern. Diese Menschen vergisst man nie.
    Milly Afolabi (Tänzerin)
    Zum Zeitpunkt des Vortanzens besuchte Milly einen Buchhaltungskurs an der Abendschule und arbeitete als Zimmermädchen. Sie lebte in Harlesden, sie war 1960 von Nigeria nach London gekommen. Bekümmert über das mangelnde Angebot westafrikanischer Nahrungsmittel in ihrem Viertel (Wo bitte gibt es Yams, wo Egusisamen? Und was ist mit Gari?) erwog sie, einen Importhandel zu gründen. Milly war eine fesselnde Tänzerin. Sie fiel Oscar und Antoney sofort auf, das Mädchen in der zweiten Reihe mit der roten Jacke, den enormen Ohrringen und dem kurz geschnittenen Haar. Sie tanzte groß, aus vollem Herzen. Sie hatte kräftige Beine, und ihre Schultern waren phänomenal schüttelfähig. Sie war zuvor schon in Lagos und Accra aufgetreten und konnte dem Midnight Ballet ein großes Repertoire westafrikanischer Tanzelemente vermitteln. Milly war der Meinung, dass es für das Tanzen, anders als in England, keine Altersgrenze geben sollte. Tanzen sollte man ein Leben lang, egal ob alt oder jung, dünn oder dick. In den späten 1970er-Jahren gründete sie mit ihrem Mann einen Gemüse-Import-Export auf der Victor Street in Harlesden, der heute noch existiert.
    Alphonso »Fansa« Fontaine (Trommler und Schlagzeuger)
    Alphonso – der Kerl mit der großen Klappe ganz weit hinten, mit den Armbändern und starken Trommlerarmen – hatte Antoney bei den Marshall-Brüdern kennengelernt. Bei reichlich Bowle hatten sie über Tanz und Musik des Kumina-Kultes gesprochen, der aus dem Kongo stammte und im Osten Jamaikas von den Maroons praktiziert wurde, vor allem in St. Thomas. Der Kumina, den Antoney in seinen Stücken so gerne imitierte, war eine schleppende Vorwärtsbewegung, mit einer Rückwärtsbeugung des Körpers. Alphonso hatte gelernt, wie man den Rhythmus des Kumina schlug, wie auch den des Dinki Minni und des Brukins, und zwar auf Trommeln, die noch von seinem Großvater stammten. Alphonso war in Kingston aufgewachsen und hatte dort, bevor er nach Großbritannien gekommen war, in Folk Ensembles mitgespielt. Für das Midnight Ballet verließ er die Hot Tones, seine dem Erfolg ausgesprochen ferne Ska-Band. Er war das Leben im Showbiz gewöhnt und liebte lange Nächte und Guinness-Bowle (ein, Simone zufolge, widerliches Gebräu aus Guinness, Muskat, Zimt und Kondensmilch). Er kostete auch in vollen Zügen das Groupie-Angebot aus. Es warteten immer Mädchen vor der Bühnentür oder flatterten in der Lobby herum. Alphonso benahm sich ihnen gegenüber niemals reserviert oder überheblich, so wie Antoney. Ganz im Gegenteil – er erzählte immer gleich, dass er ledig und kinderlos sei, und widmete den Mädchen seine volle Aufmerksamkeit.
    Ricardo und Rosina Morris (Tänzer, Tänzerin und Fotografin)
    Diese beiden, die aus Kennington in Süd-London stammten, waren angeblich Zwillinge, aber Simone glaubte das bis heute nicht. Sie sahen einander überhaupt nicht ähnlich. Simone glaubte vielmehr, dass die beiden das erfunden hatten, um faszinierend und mystisch zu wirken, was bei Antoney ja wohl verfing. Ricardo hatte eine flache Stirn und ein freundliches Gesicht. Ihm war die fremde Welt des Tanzens durch eine Freundin namens Polly-Cinder erschlossen worden. Und das war so gekommen: Sie war halb Spanierin und je ein Viertel Irin und Französin. Sie war mit Körpergröße und Finesse gesegnet, und mit langem, umwerfendem Haar. Sie und Ricardo hatten einander während seiner allerersten Tanzstunde erblickt, die er auch bloß aus dem Grund besucht hatte, weil ihm ein befreundeter Maler und Dekorateur gesagt hatte, dass man da die Mädchen traf. Stell dir vor, sagte er Polly-Cinder

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