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Als würde ich fliegen

Als würde ich fliegen

Titel: Als würde ich fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Evans
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darüber informieren, dass ich seit Jahren an einem Projekt arbeite, gegen das Ihres ein abgenagter Knochen ist. Antoney Matheus war ein vielschichtiger …«
    In diesem Augenblick öffnete sich die Tür auf geradezu geisterhafte Weise, dann schlüpfte die Katze ins Arbeitszimmer. Lucas entsetzte sich. Der Schweiß brach ihm aus. Denise hatte recht. Es wäre besser, das alles zu vergessen und nach vorn zu schauen. Es wurde unheimlich. Die gepflegte und wohlgenährte Katze ignorierte beide Männer, ging zum Regal und rieb sich mit erhobenem Schwanz daran. Und genau da fiel Lucas’ Blick auf eine Fotografie seines Vaters, die einige Reihen höher, inmitten der Reliquien stand.
    Dort standen sogar zwei Fotografien, und keine der beiden hatte er je zuvor gesehen. Eine zeigte Antoney, auf einer Straße, mit einem Streichholz zwischen den Lippen – das Bild war wohl an einem Wintertag aufgenommen, angesichts des schweren Mantels und der vielen Schichten darunter. Auf seiner Stirn waren zwei tiefe Falten. (Was hast du getan, als du an den Punkt gekommen bist, wo du nicht mehr wusstest, wohin?) Das andere Foto zeigte Antoney mit Anzug und Hut, er wirkte jünger, lehnte in einem Türrahmen neben einem anderen, zierlicheren Mann, ebenfalls im Anzug, über ihnen das Schild Bühnentür. Beide wirkten glücklich, zufrieden, hatten die Arme auf gleiche Weise verschränkt, die Köpfe einander freundschaftlich zugeneigt. Sie wirkten, als könnten sie die Welt aus den Angeln heben und nach ihren Wünschen gestalten.
    Mr. Rileys Redefluss verstummte, als die Katze schnurrend um seine Beine strich. Lucas ging zum Bücherregal.
    »Ich kann Ihnen nicht helfen«, hörte er Mr. Riley. »Bitte gehen Sie jetzt, und fassen Sie nichts an.«
    »Sind Sie das?«
    »Wer?«
    »Auf dem Bild hier.«
    Der Mann neben Antoney wirkte vital, mit strahlenden Augen, dichtem, lockigem hellbraunem Haar und einem schmalen Kinn. Er trug eine apricotfarbene Krawatte. Er war von einer gewissen Eleganz, einer Eleganz, die Lucas auch an Riley bemerkt hatte, als er sich das erste Mal in seinen Stuhl gesetzt hatte. »Sind Sie das in jüngeren Jahren?«
    Mr. Riley stellte sich hinter ihn. Sie sahen gemeinsam auf das Bild. Die Atmosphäre entspannte sich.
    »Neunzehnhundertachtundsechzig«, sagte Mr. Riley. »Er war gerade für einen Choreografie-Preis nominiert worden.«
    »Davon hab ich gelesen.«
    »Da war er auf dem Höhepunkt seines Schaffens. Sehen Sie nur, wie glücklich er wirkt.«
    »Ja, das stimmt.« Lucas drehte sich zur Seite, damit er Mr. Riley ins Gesicht sehen konnte. »Mr. Riley«, sagte er, »was ist ihm widerfahren?«
    »Ich dachte, Simone de Laperouse hätte Ihnen alles erzählt?«, höhnte er.
    »Nicht die ganze Geschichte.«
    »Er – na ja – er hat uns verlassen.« In seiner Stimme klang ein ferner, zärtlicher Unterton mit.
    »Wollen Sie es mir nicht erzählen?«
    Mr. Riley schwieg, er wurde wieder ernst. »Seien Sie bitte ehrlich. Treibt Sie dabei ein persönliches Interesse, das Sie mir gegenüber noch nicht erwähnt haben?«
    Endlich sagte Lucas es. »Er war mein Vater.«
    Das Projekt, von dem Riley gesprochen hatte, sollte sich zu einem Buch mit dem Titel »Antoney Matheus und das Midnight Ballet« entwickeln, ein langwieriges Unterfangen, das der Vollendung nun aber nicht mehr fern war. Es war als Vermächtnis der Compagnie und Antoneys Biografie gedacht. Die vielen Schachteln neben dem Schreibtisch lagen voller Manuskriptseiten, Skizzen und Quellenmaterial wie Konzertprogramme, Fotografien und Plakate. Riley verfügte über Kopien eines jeden Artikels und einer jeder Besprechung, die über die Compagnie erschienen waren, wobei eine beträchtliche Menge aus seiner eigener Feder stammte. Die Bücherregale bargen eine regelrechte Tanzbibliothek, mit der Mr. Riley jede Prämisse, jede noch so marginale Tatsachenbehauptung kontextualisieren und stützen konnte. Er erklärte all dies recht leidenschaftlich; man müsse sein Terrain, so sagte er, bis ins Letzte beherrschen. Dieser Raum hütete das Archiv eines vergessenen historischen Moments, und Mr. Riley sah sich als Einzigen befähigt, dieser Geschichte zu ihrem Recht zu verhelfen. Er erlaubte Lucas noch immer nicht, irgendetwas auch nur anzufassen, aber schließlich, im Laufe der langen nun folgenden Unterhaltung, zeigte er ihm einige Seiten aus seinem Buch. Ganz zum Schluss erwähnte er, mit einer gewissen Zurückhaltung, noch einen Gegenstand, den letzten Beweis für sein Insider-Wissen:

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