Also lieb ich ihn - Roman
Lockheed Martin antreten wird. Hannah wirft einen Blick zur anderen Couch. Sie könnte den Kopf auf die Armlehnen zwischen beide legen, denkt sie, einfach hinlegen und die Augen schließen. Es würde vielleicht seltsam erscheinen, aber wer sollte sich schon ernsthaft daran stören, außerdem würden alle davon ausgehen, dass sie eingedöst ist. Sie schmiegt sich in die Kissen und schließt die Augen. Sofort stürzt sie in eine bodenlose Dunkelheit. Diese Dunkelheit schirmt alles ab, und es ist so, als würde sich dahinter allerhand abspielen, als stießen die Leute von draußen gegen einen schwarzen Theatervorhang.
»Schaust du mal nach ihr«, hört sie Todd sagen. »Meinst du, sie hat irgendwas?«
»Die schläft bloß«, sagt Michelle. »Spaß hat ihr das hier offenbar nicht gebracht.« Hannah wartet auf einen deutlicheren |68| Ausdruck ihrer Verächtlichkeit –
Und sie ist sowieso das Letzte!
–, aber stattdessen sagt Michelle: »Gehen wir jetzt in diese Bar oder nicht?«
»Ich hör mich mal um«, kommt es von Todd.
Haut doch ab
, denkt Hannah.
Geht ficken. Tauscht eure Pilze aus.
Um sie herum werden noch andere unruhig. Auf der Nachbarcouch sagt ein Typ: »Schläft die etwa?« Sie hat Angst, dass ihr Gesicht zuckt oder, schlimmer noch, dass sie lächeln muss und sich dadurch verrät.
»Hannah.« Jemand fasst ihr an den Arm, und sie öffnet die Augen. Schließt sie sofort wieder, um Verwirrung vorzutäuschen, schluckt, öffnet die Augen. Jenny kniet vor ihr. »Du bist eingeschlafen. Geht’s dir gut?«
»Ja, bestens.«
»Wir wollen alle in eine Bar, nur für ein Stündchen oder zwei. Möchtest du hierbleiben oder mitkommen?«
»Ich glaube, ich bleibe lieber hier.«
»Willst du vielleicht ein Glas Wasser?« In Jennys Augen liegt ein eigentümlicher Glanz, sie spricht nachlässig, aber mit solcher Emphase, dass Hannah sie für mehr als nur ein bisschen betrunken hält.
Sie schüttelt den Kopf.
»Na gut. Träum süß.« Als sie lächelt, flackert in Hannah der Wunsch auf, sich ernsthaft mit Jenny anzufreunden. Sie glaubt fast schon, dass Jenny sie selbst dann akzeptieren würde, wenn sie ihr wahres Selbst vor ihr enthüllte.
Sie schalten den Fernseher und die Anlage ab und machen überall das Licht aus, nur in der Küche nicht. Kaum sind die anderen weg, ist die Stille überwältigend. Hannah hat das Gefühl, jetzt wirklich einschlafen zu können. Ihr wird klar, dass sie ohnehin nicht weiß, wie oder wann die anderen zum Campus zurückkehren wollen. Vielleicht |69| wollen sie hier übernachten. Keine angenehme Vorstellung – diese Typen im unerbittlichen Morgenlicht wiederzusehen, vor dem Badezimmer Schlange zu stehen. Wenn sie wenigstens eine Zahnbürste dabeihätte.
Keine fünf Minuten später hört Hannah, wie die Wohnungstür aufgeht. Offenbar sind sie zu zweit, ein Typ und ein Mädchen, beide lachen und flüstern. Bald flüstern sie nicht mehr, sondern sprechen leise. Hannah erkennt Jenny, dann muss es sich bei dem Typen um Dave handeln, den sie in der Küche gesehen hat.
»Ich habe ihn in meinen Mantelärmel gestopft, und wenn er rausgefallen ist, müsste er eigentlich unten im Schrank liegen«, sagt Jenny. »Lass das Licht aber aus. Hannah schläft.«
Dann verstummen sie eine Weile, und als Dave wieder zu sprechen beginnt, klingt seine Stimme anders – belegt. »Hast du Nahkampfsocken dabei?«
Jenny lacht. »Wie soll ich das verstehen?«
»Na wie wohl?« Jetzt berührt er wahrscheinlich Jennys Stirn oder ihren Nacken. »Es spielt keine Rolle«, sagt er. »Hauptsache, wir sind unter uns.«
»Hier irgendwo muss er sein«, sagt Jenny. Ihre Stimme klingt auch anders, sanfter und schleppender. Die Wohnung ist still – Hannah kommt es so vor, als hielte selbst sie den Atem an –, und dann hört sie das leise Schmatzen von Lippen, die aufeinandertreffen, das leichte Reiben von Stoff an Stoff.
Zu Hannahs Schrecken gehen sie vom Schrank zur anderen Couch hinüber. Sie sprechen kaum mehr, bald geht beider Atem schneller. Hannah hört, wie Träger heruntergestreift werden. Minuten später sagt Jenny: »Nein, der Verschluss ist vorne.« Dave und Jennys Füße liegen dicht vor Hannahs Kopf, dazwischen nur ein paar Kissen und die Armlehnen beider Sofas. »Und du bist sicher, dass sie |70| schläft?«, sagt Dave, und Jenny antwortet: »Die ist völlig ausgeknipst.« Hannah fragt sich, ob Jenny das wirklich glaubt.
Das Reiben geht weiter. Es scheint ewig zu dauern, vielleicht eine Viertelstunde,
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