Also lieb ich ihn - Roman
Kaffee?‹. Kaffee ist klar das Letzte, was ich will. Ich mein, da hab ich mir …« – hier artikuliert sie tonlos
die Beine komplett wachsen lassen
. Laut fährt Sarie fort: »Ich mein, da hab ich echt keine Kosten und Mühen gescheut. Trotzdem sag ich, klar. Und dann führt er mich in diesen schäbigen Imbiss, wenn es wenigstens Starbucks gewesen wäre. Ich denk bloß, die Küche ist bestimmt voller Ratten. Wir sitzen noch keine Stunde drin, da fährt er mich schon wieder heim. Wir stehen vor der Tür, und er fragt – du wirst es nicht fassen, Han – er fragt tatsächlich, ob er mit raufkommen kann.« Sarie schüttelt den Kopf.
»Versteh ich nicht«, sagt Hannah. »Was ist daran so komisch?«
»Er fragt, ob er auf einen
Kaffee
mit raufkommen kann. Dabei hatten wir gerade unseren Kaffee. Wie bekloppt ist das? Ich hab ihm nicht mal ’ne Antwort gegeben. Ihm bloß die Tür vor der Nase zugeknallt.«
»Oh«, sagt Hannah. »Das tut mir echt leid.«
»Und mir erst«, antwortet Sarie. »Wenn er mich zum Abendessen ausgeführt hätte, wär ich anders drauf gewesen. Aber so kann er sich das knicken.« Sie zieht eine Grimasse und knurrt: »Männer!«
»Die sind ja nicht alle so«, wendet Hannah sofort ein. »Sondern eben dieser eine – Patrick, so hieß er doch?«
Sarie nickt.
|116| »Sei mir nicht böse, aber er klang von vornherein nach einem kompletten Reinfall.«
»Stimmt, das hast du dir ja gleich gedacht! Ich sollte öfter auf dich hören, Hannah. Das sind alles Schweine.«
»Nicht alle sind Schweine!« Hannah kreischt fast.
»Ich zieh dich doch nur auf.« Sarie grinst. »Jetzt muss ich ganz schnell aufs Klo.« Als sie sich umdreht, fällt Hannah auf, wie kurz Saries Rock ist, er reicht ihr knapp drei Zentimeter über den Po. Das Röckchen ist braun und aus einem hauteng anliegenden Material, das Hannah nicht genauer bestimmen kann, weil sie nichts Vergleichbares im Kleiderschrank hat. Vor diesem Sommer hatte sie nicht einmal gewusst, dass man in solchen Outfits, wie Sarie sie am liebsten trug, zur Arbeit erscheinen durfte. Doch offenbar dufte man in der großen weiten Welt eine ganze Menge.
Sarie ist klein und kurvenreich; während sie sich aus ihrem Blickfeld entfernt, bemerkt Hannah, wie wohlgeformt Saries Waden sind. Sie verfügt über die Art von Körper, der nach Hannahs Überzeugung von den meisten Männern am meisten bevorzugt wird: nicht eben groß, zart und trotzdem sinnlich, von einem angenehm ausdruckslosen Gesicht gekrönt und blonden Haaren, die gefärbt sein könnten, aber nicht zwangsläufig gefärbt sein müssen. Sarie trägt jeden Tag Röcke, während Hannah stets Hosen anzieht. Außerdem trägt Sarie Stringtangas. Wenn sie und Hannah zusammen in der Damentoilette sind, lässt sich Sarie jedes Mal über deren Vorzüge aus (sie sind so bequem, sie zeichnen sich nicht ab) und prophezeit Hannah, dass auch sie auf Strings schwören würde, wenn sie es nur einmal ausprobieren wollte.
Manchmal ist Hannah von ihr beeindruckt – wie an den zwei Abenden, als es Sarie tatsächlich gelang, Hannah in eine Bar zu lotsen, die sich wie ein dumpfes Walross |117| fühlte, während sich die Männer auf der anderen Tischseite geschlossen Sarie zuwandten, als sei sie ein Quell des Lichts oder der Energie. Doch dann fällt Hannah gleich wieder ein, wie Sarie eines Nachmittags fragte: »Moment mal, ist Shanghai eine Stadt oder ein Land?« Es kam noch schlimmer, als Sarie, vielleicht als Reaktion auf Hannahs bestürzten Gesichtsausdruck, ein kleinlautes Lachen von sich gab und sagte: »Das war eine verdammt blöde Frage, was? Behalt das bloß für dich.«
Gegen Viertel vor zwölf ist die Musik vom anderen Ende des Flurs so nervtötend, dass Hannah das Sitzungsprotokoll, an dem sie gerade schreibt, wegklickt und stattdessen einen Bogen Firmenbriefpapier hervorholt.
Wäsche waschen
, notiert sie als erstes. Dann
Geb.-Geschenk für Mom
. Mehr fällt ihr nicht ein. Sie späht in die Eingangshalle. Gerade kommt Ted Daley vorbei, der kürzlich aus dem Großraumbüro in ein eigenes, fensterloses Büro hochgelobt wurde. Als sich ihre Blicke treffen, winkt er ihr kurz zu. »Bügel mal deine Stirn«, ruft er, so dass Hannah unwillkürlich lächeln muss. »Schicke Brille«, sagt Ted. »Ist die neu?«
»Die brauch ich wohl, weil ich hier ständig auf den Bildschirm starre«, sagt Hannah. »Jetzt sehe ich aus wie eine Streberin.«
»Aber nein, die Brille steht dir wirklich gut. Ist schon ein Ding, dass sie euch
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