Also lieb ich ihn - Roman
heute antanzen lassen, was? Wer für lau malocht, sollte sich auch die eine oder andere Freiheit rausnehmen dürfen.«
»Macht mir nichts aus.« Ursprünglich hätte Hannah an fünf Tagen in der Woche hier arbeiten sollen, jetzt kommt sie nur an dreien und kann die restliche Zeit die Kinder eines Professors hüten. Sie hatte versucht, Lois – die in der Agentur für die Praktikanten zuständig ist – nur gerade soviel über ihre aktuelle finanzielle Lage mitzuteilen, dass |118| die Änderung im Zeitplan nicht leichtfertig erschien. Wie sich inzwischen herausgestellt hat, fällt nicht einmal genug Arbeit an, um drei Wochentage auszufüllen. Und dieses bisschen Arbeit besteht vor allem darin, Faxe zu verschicken, zu kopieren und Sitzungen beizuwohnen, in denen leitende Angestellte eine geschlagene Stunde brauchen, um Erkenntnisse zu vermitteln, die nach Hannahs Meinung höchstens drei Minuten erfordert hätten. Nun geht es ihr nur noch darum, ein gutes Zeugnis zu bekommen, das sie nach dem Studium für ihre Bewerbungen nutzen kann, auch wenn sie keineswegs in die Werbung will.
»Normalerweise wär ich auch nicht hier«, sagt Ted, »aber ich fahre im Oktober nach Baja California, da will ich keinen einzigen Urlaubstag verlieren.« Er streckt beide Arme aus, als wollte er unsichtbare Wände davon abhalten, ihn einzuschließen, und wackelt dann mit den Hüften, oder mit dem, was man bei Ted als Hüften bezeichnen kann. »›Some tasty waves, a cool buzz‹ – mehr brauch ich nicht zu meinem Glück.«
»Was?«
»
Fast Times at Ridgemont High
«, erklärt Ted. «Kennst du den Film nicht? Etwa Mitte der Achtziger. Macht nichts, da warst du vermutlich noch im Kindergarten. Ich will in Baja ein bisschen surfen.«
»Oh«, sagt Hannah. »Cool.«
Daraufhin entsteht eine Pause, die Ted für einen Blick auf seine Armbanduhr nutzt, während Hannah sein Hörgerät mustert.
Wenn ein Hörgerätträger ins Wasser geht, muss er das Gerät dann nicht vorher rausnehmen? Oder ist so ein Hörgerät wasserdicht?
fragt sie sich. Ted – ein Junior-Kontakter – ist erst acht- oder neunundzwanzig, und als Hannah in der Agentur anfing, verknallte sie sich kurz in ihn,
gerade
wegen seines Hörgeräts. Es lässt ihn sensibel wirken, als hätte er eine Menge Probleme zu meistern gehabt, |119| doch ohne darüber kauzig oder verbittert zu werden. Liebenswert macht ihn auch seine Fistelstimme, außerdem ist er hochgewachsen und hat grüne Augen. Ihre Verknalltheit hielt allerdings keine vier Wochen an. Kürzlich hatte sie bei einem Umtrunk in der Agentur, den sie genau sechzehn Minuten lang aushielt, mitbekommen, wie sich Ted in einem angeregten Gespräch über Lois’ Zickigkeit ausließ. Nicht nur fand Hannah das ungerecht – Lois ist alles andere als zickig –, es erschien ihr auch dumm und unerträglich vulgär. Dem Hörgerät zum Trotz ist an Ted nichts Besonderes dran.
»Zu Mittag bestellen wir Pizzas«, sagt Ted. »Magst du dich anschließen?«
»Klar«, antwortet Hannah. »Wie viel soll ich dazugeben?«
Als Ted den abgeteilten Raum betritt, um das Geld entgegenzunehmen, dreht Hannah ihre To-do-Liste reflexartig um, obwohl Ted sich gerade auch nicht zu überarbeiten scheint. »Schreibst du Liebesbriefe?«, fragt er, während sie unter dem Schreibtisch nach ihrer Handtasche greift.
»Ja, und zwar dir«, antwortet Hannah.
»Was?«
Als ihr klar wird, dass er sie gar nicht gehört hat, erwägt sie kurz, den Witz nicht zu wiederholen, aber dann denkt Hannah,
sei’s drum
. »Die Liebesbriefe habe ich dir geschrieben«, sagt sie etwas lauter.
Er lächelt. »Das tun sie alle.«
»Da hab ich ja ganz schön Konkurrenz.« Hannah streicht mit der Hand durch die Luft. »Vergiss die anderen.«
»Ist das wirklich ratsam?«, fragt Ted. Er grinst nach wie vor, doch jetzt drückt sein Gesicht eine Mischung aus Neugier und Verblüffung aus. Hannah wird bewusst, dass |120| er sie mustert, und plötzlich fällt ihr nichts mehr ein, was sie sagen könnte.
Sie senkt den Blick, dann sieht sie wieder zu ihm hoch. »Reichen zehn Dollar?«
»Kommt drauf an, ob du der halben Belegschaft einen ausgeben willst.«
Jedes Mal bietet Hannah wissentlich mehr Geld an, als sie müsste, in erster Linie aus Angst, man könnte sie für geizig halten. Meistens haben die anderen nichts dagegen einzuwenden.
»Fünf Dollar reichen dicke«, sagt Ted. »Du wirst ja höchstens zwei Stück essen, so wie ich dich kenne.« Dann sagt er noch: »Inzwischen schreibst du
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