Also lieb ich ihn - Roman
Eigentlich sollte sie lieber den Mund halten – es ist klar, dass er jetzt schlafen will –, doch dann hört sie sich fragen: »Und was hältst du davon, dass Sam und Allison heiraten? Ist das nicht irre?«
»Ich find’s großartig«, sagt Elliot. »Ich hoffe, sie werden glücklich miteinander.«
»Wusstest du, dass es ihnen so ernst ist?«
»Wenn Sam es nicht ernst meinen würde, müsste man ihn für bescheuert halten. Deine Schwester ist toll.«
Zu hören, dass Alice so toll ist, erfüllt Hannah sonst immer mit Stolz, doch jetzt findet sie dieses Thema ermüdend. |151| Sie schweigt, genau wie Elliot. Es ist sehr dunkel; sie hört das Meer schwappen. So vergehen fünfundvierzig Minuten. Ihr Magen fühlt sich zugleich verkrampft und aufgebläht an, und sie sorgt sich abwechselnd darum, dass sie nicht einschlafen kann beziehungsweise dass sie doch einschläft und dann laut furzt. Sie stellt sich das zottelige, zimtbraune Fell des Bären vor und seine nasse witternde Schnauze, die langen Krallen, braun und leicht gekrümmt. Natürlich ist der Schutz rein illusorisch, aber sie ist trotzdem froh, sich in einem Zelt zu befinden, wie in einem Versteck. Was für ein Glück so ein Bär hat, dass sich alle vor ihm fürchten; und wie groß ist seine Freiheit, über die Strände und inmitten der Bäume umherzustreifen.
Als sie nach dem Frühstück die Spritzschutze und Schwimmwesten anlegen, sagt Elliot: »Im Kajak trägst du die aber nicht, oder? Die Bären gehen nicht ins Wasser.«
Zuvor hat sich Hannah die Glocke am Ärmel befestigt, nun klingelt sie bei jeder Bewegung. Sie sieht Elliot an, sieht wieder weg. Sie hat die Nase voll davon, um seine Sympathie zu ringen. »Doch, die trage ich«, antwortet sie, im gleichen Moment fragt Sam: »Hey, Hannah, welche Größe hat deine Schwimmweste?«
»Keine Ahnung.« Sie löst die Plastikhaken an der Vorderseite und schüttelt sich die Weste von den Schultern, um das Schild zu lesen. »Da steht L.«
»Magst du mit mir tauschen?« Sam wirft ihr eine andere Weste zu. »Die beiden mittleren Größen sind für dich und Allison, die beiden großen für Elliot und mich.«
»Aber …« Hannah zögert. »Ich weiß, du bist größer als ich, Sam, dafür habe ich einen Busen. Obenrum bin ich die Größere.«
Allison kichert. »Hannah hat einen ganz schönen Vorbau«, erklärt sie. »Darunter habe ich schon in der High |152| School gelitten.« Das stimmt nicht. Bereits ab der Mittelstufe trug Hannah größere BHs als ihre ältere Schwester oder als ihre Mutter, aber die einzige, die darunter litt, war sie selbst. Und trotzdem tun beide Schwestern seit Jahren so, als beneide Allison Hannah wenigstens um dieses eine.
»Tatsache ist, ich bin größer als du«, sagt Sam. »Mit Sexismus hat das nichts zu tun. Stell dich mal neben mich, Hannah.«
Erst stellen sie sich Seite an Seite auf, dann Rücken an Rücken.
»Das ist doch lächerlich«, meint Elliot, ohne dass Hannah eindeutig erkennt, worauf er sich bezieht. Auf die Situation? Auf sie?
»Ohne Maßband ist das schwer zu bestimmen«, sagt Allison. Sie klingt immer noch amüsiert – Hannah denkt, dass sie das Amüsement vortäuscht.
»Probier mal, ob du die mittelgroße zumachen kannst«, sagt Sam.
Hannah steckt die Arme durch beide Öffnungen. Entgegen ihrer festen Überzeugung lässt sich die Weste doch schließen. Aber das bedeutet, dass auch Sam sie schließen könnte; der allerdings hat ihr die größere Weste entwendet, während sie an den Haken der anderen nestelte. Jetzt brauchen sie nur noch die Kajaks ins Wasser zu setzen.
Zunächst fühlt es sich holprig an, doch dann gleiten sie dahin, als ob sie nichts vom Wasser trennen würde, nicht einmal Fiberglas. Elliot und Sam paddeln schneller als sie und Allison, und als schließlich ein paar hundert Meter zwischen ihnen liegen, dreht Hannah den Kopf und spricht über die Schulter zu Allison, die vom Heck aus steuert: »Was sagst du zur Arschlochnummer deines Freundes oder Verlobten oder wie immer man ihn bezeichnen soll?«
|153| »Reg dich ab, Hannah.«
»Und du warst mir eine echte Hilfe, danke! Dachtest du, er könnte sich irgendwie kastriert vorkommen, wenn du einräumen würdest, dass seine Brust nicht ganz so breit ist, wie er es gern hätte?«
Allison schweigt.
»Ich könnte mir allerdings keinen angenehmeren Begleiter denken als seinen Bruder«, fährt Hannah fort. »Was für ein warmherziges Kerlchen.«
»Elliot ist ein Schatz«, sagt Allison, und es
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