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Also lieb ich ihn - Roman

Also lieb ich ihn - Roman

Titel: Also lieb ich ihn - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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bringt Hannah auf die Palme, dass ihre Schwester nicht für sie einsteht, dass sie mit keiner Silbe auf das eigentliche Thema zu sprechen kommt. Als Kinder stritten sie sich bis aufs Blut; die körperlichen Auseinandersetzungen hörten irgendwann auf, doch das Gezänke hielt an, bis Allison in die Mittelstufe kam. Ab dann wurde Allison zu Hannahs Leidwesen richtig nett. So wie andere Mädchen in der High School auf einmal allseits beliebt, magersüchtig oder Grufti werden, wurde Allison eben nett, mit allen Konsequenzen für Charakter und Verhalten. Hübsch wurde sie auch noch, so dass ihr nettes Auftreten umso großzügiger wirkte, denn sie hätte es ja nicht nötig gehabt.
    »Weißt du, woran die beiden mich erinnern?« Vielleicht treibe ich es jetzt zu weit, denkt Hannah. »›Fürchte den Mann, der nur ein Buch kennt.‹ Die machen sich gern über meine angebliche Bärenparanoia lustig, aber deswegen sind sie nicht unbedingt erfahrene Camper.«
    »Sam hat schon mal gecampt«, sagt Allison. »Ehrlich. Beide sind mit Rucksacktouren in Wyoming groß geworden.«
    »Sieh mal an«, erwidert Hannah. »Echte Cowboys.«
    Allison schweigt.
    »Ich hätte da eine Frage«, sagt Hannah. »Seine Familie ist doch steinreich, kommt es dir da nicht ein bisschen |154| mickrig vor, wenn dein Verlobungsring bloß aus Silber ist?«
    »Mir kommt es gerade recht unwahrscheinlich vor, dass du bei unserer Hochzeit Brautjungfer wirst«, antwortet Allison.
    »Willst du mir drohen?«
    »Warum sollte ich dir drohen, Hannah? Aber du machst ja keinen Hehl daraus, dass du weder Sam noch Elliot leiden kannst. Und ich will nicht, dass du durch mich in eine heikle Lage gerätst.«
    »Du meinst, so heikel wie jetzt? Mir ist klar, dass es euch allen ohne mich lieber wäre.« Sie wartet darauf, dass Allison ihr widerspricht, und als sie es nicht tut, ergänzt Hannah: »Das gilt übrigens auch für mich.«
    Die nächsten zwanzig Minuten bleiben sie beide stumm. Die Schwimmweste empfand Hannah zunächst wie ein Korsett, doch inzwischen hat sie sich daran gewöhnt. Und es ist für sie eine große Erleichterung, im Kajak zu sitzen. Jetzt muss sie nur noch die Reise an sich durchstehen, nachdem die Reisevorbereitungen durch sind.
    Irgendwann bricht Allison das Schweigen: »Siehst du diesen Gletscher da vorn? Wir sollten nicht zu nah ran, weil jederzeit Eisbrocken abbrechen können. Man sagt dazu auch ›kalben‹.« Sicher, Allison ist reifer als Hannah, Allison ist ein besserer Mensch, allerdings steht für sie auch weniger auf dem Spiel. Allison kann es sich leisten einzulenken, weil sich für sie nicht alles um Hannah dreht; für sie ist die Schwester nicht die wichtigste Bezugsperson auf dieser Reise. »Du schlägst dich gut«, fährt Allison fort. »Als ich das erste Mal Kajak fuhr, wurde ich seekrank.«
    Ungnädig erwidert Hannah: »Wie soll das gehen?«
    »Ich kotzte ins Wasser. Frag Sam. Er konnte es nicht fassen.«
    |155| Am späten Nachmittag sehen sie einen Weißkopfseeadler, danach taucht ganz in der Nähe ihres Kajaks ein Seehund auf. Auf Hannah wirkt der nasse braune Kopf etwas bedrückt; da taucht er wieder unter und ist verschwunden.
    Als Sam vor dem Abendessen Wasser für den Couscous aufsetzt und Allison und Elliot in den Zelten sind, fragt er Hannah: »Du bist mir doch nicht böse wegen der Schwimmweste?«
    Hannah zögert kurz, dann antwortet sie: »Schon gut.«
    Mit leiserer Stimme sagt Sam: »Allison macht sich richtig Sorgen, wegen deiner Probleme mit deinem Dad.«
    »Ich wusste gar nicht, dass meine Probleme mit meinem Dad von öffentlichem Interesse sind«, erwidert Hannah, und Sam lässt das Thema fallen.
    Nach dem Abendessen spielen sie Karten bei Allison und Sam im Zelt. Es ist so kalt, dass sie alle Jacken und Wollmützen angezogen haben. Als es gegen neun dämmert – Ende August gibt es in Alaska keine Mitternachtssonne –, ziehen sie die Taschenlampen hervor und stellen sie so auf, dass sie nach oben leuchten, so wird das Zelt von vier Monden erhellt. Doch dann wird es draußen stockfinster, und sie können trotz der Taschenlampen keine Karten mehr erkennen.
    Bevor sie Elliot ins andere Zelt folgt, geht Hannah etwa zwanzig Meter zu einem Baum. Während sie ihre lange Unterhose und die Wollunterhose, die sie zusätzlich trägt, herunterstreift, stellt sie sich vor, wie hinter ihr ein Bär auftaucht und sie mit seiner Pfote am Po berührt. Sie lässt ihre Bärenglocke klingeln, und Allison ruft: »Hannah, ich höre dich«, im

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