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Also lieb ich ihn - Roman

Also lieb ich ihn - Roman

Titel: Also lieb ich ihn - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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sagt ihr Vater: »Richte |220| deiner Schwester oder Sam aus, sie sollen mich anrufen, wenn sie die Tickets wollen – die Eagles treten gegen die Giants an. Vielleicht kann ich für dich auch noch eins auftreiben.« Dann streckt er ihr die Hand entgegen, und so kann sie ihn unmöglich fragen. Wenn er ihr die Hand schüttelt, wenn er sich so distanziert und vorsichtig gebärdet, bedeutet es, er weiß sehr wohl, dass er sich wie ein Arschloch benommen hat. Man braucht ihn darauf nicht anzusprechen, weder mit einer Frage noch mit einer Feststellung – seiner ranzigen Heiterkeit zum Trotz weiß er Bescheid.
    Sie tritt auf ihn zu und gibt ihm einen Kuss auf die Wange. Dann sagt sie: »Tschüs, Dad.«
     
    Frank McGuire ist einundsechzig, acht Jahre älter als Hannahs Mutter. Er ist knapp ein Meter achtzig groß, mit Stirnglatze und schütterem Haar, einem dicken Bauch, Wurstfingern und vollen Lippen; insbesondere seine Unterlippe ist so fleischig und weich wie die eines weiblichen Hollywoodstars. Im Lauf der Zeremonie erlebt Hannah, die einen Strauß aus Freesien und Rosen in der Hand hält, wie bisher unterdrückte Gedanken ihr auf einmal durch den Kopf schießen. Ob ihre Mutter und Frank Sex haben? Läuft es darauf hinaus, dass Frank sich die reife Schönheit ihrer Mutter leistet, aus dem einfachen Grund, dass sie diese feilgeboten hat? Wie sieht sein Bauch aus, wenn er unbekleidet ist, liegt man mit einem solchen Bauch oben oder besser unten? Gemeinsam zu altern, stufenweise, dürfte das Dicker- und Schlafferwerden über Jahre hinweg in der Wirkung abmildern, aber wenn man dem anderen zum ersten Mal in diesem Zustand gegenübertritt – ist es nicht entsetzlich beschämend, die eigenen Mängel zu sehen und sich zugleich vor den Verfallserscheinungen zu fürchten, die der andere offenbaren könnte?
    |221| Und was mag man dem anderen über sich verraten? Nach allem, was man in einem langen Leben erfahren hat, muss man ohnehin eine Auswahl treffen – da bietet es sich doch an, die schmerzlichsten Teile der eigenen Vergangenheit auszulassen? Wird Hannahs Mutter Frank jemals erzählen, dass ihr erster Mann sie und ihre Töchter einst mitten in der Nacht aus dem Haus gejagt hat? Erinnert sich Hannahs Mutter überhaupt noch daran? Bestimmt. Auch wenn sie das Thema niemals anschneiden, erinnert sie sich bestimmt daran.
     
    »Ich will dir etwas erzählen, das ich noch keinem erzählt habe«, sagt Fig, »aber du darfst dir nichts anmerken lassen.«
    Hannah und Fig sitzen auf dem Wohnzimmersofa, mit Tellern auf dem Schoß. Das Essen wurde geliefert, Hannahs Mutter hat dafür das blauweiße Porzellan und das Familiensilber aus dem Schrank geholt, ringsum unterhalten sich lautstark die Hochzeitsgäste, die meisten von ihnen Familienangehörige. Die Zeremonie war kurz, jetzt ist es fast sechs, und man sieht, wie dunkel es draußen ist, weil die Vorhänge nicht zugezogen sind. Der Raum hingegen ist von einem rosigen Schein erleuchtet: Die Gläser und das Silberbesteck glänzen, und die Wangen der Gäste röten sich, was am Champagner liegen kann oder an Mrs. Dawes, der ältesten Freundin von Hannahs und Figs verstorbener Großmutter, die pflichtschuldig zur Feier eingeladen wurde; ihretwegen musste der Thermostat auf fünfundzwanzig Grad hochgedreht werden.
    »Im Ernst«, fügt Fig hinzu. »Du darfst nicht einmal nach Luft schnappen.«
    »Erzähl schon.«
    »Ich hab jemanden kennengelernt«, eröffnet Fig, während Hannah denkt,
natürlich hast du das
, und sich schon |222| ausklinken will, doch dann hört sie: »Die Schwester von Dave Risca.«
    Zunächst glaubt Hannah, sich verhört zu haben. »Seine
Schwester?
«, wiederholt sie.
    »Was hab ich dir gerade gesagt? Du sollst dir nichts anmerken lassen.«
    »Ich lasse mir nichts anmerken. Ich kläre nur einen Sachverhalt.« Fig mit einer
Frau
? »Du meinst aber nicht, dass ihr zusammen seid«, sagt Hannah. »Du meinst, ihr habt vielleicht auf einer Party rumgeknutscht.«
    Als Fig erklärt: »Nein, ich meine, dass wir ein Paar sind«, denkt Hannah, dass sie angesichts dieser Neuigkeit ihre komplette Weltsicht wird revidieren müssen. »Ein paar Monate nachdem ich wieder nach Philly gezogen bin, hab ich sie getroffen«, erzählt Fig. »Wir haben uns auf der Straße ein bisschen unterhalten, da spürte ich schon diese Anziehung, und dann fragte sie, ob wir nicht was trinken gehen sollten. So führte eins zum anderen.«
    »Wie sieht sie aus?«
    »Sie hat Stil.« An Figs warmem,

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