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Also lieb ich ihn - Roman

Also lieb ich ihn - Roman

Titel: Also lieb ich ihn - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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geht hinaus. Oliver küsst sie auf den Mund, dem Nikotingeschmack nach wollte er nichts anderes als Zigaretten besorgen. Er trägt ein kariertes Flanellhemd, darüber einen schwarzen Steppanorak, der bestimmt nicht ihm gehört, sondern Sam oder vielleicht sogar Allison. Hannah zeigt mit dem Finger darauf und sagt, »steht dir«. Hannah und Oliver sind gestern beide aus Boston hergeflogen. Ihre Mutter hat dann verschämt darauf bestanden, dass Oliver im Arbeitszimmer auf der ausziehbaren Couch schläft. Eigenartig, den schönen Oliver bei Tag in dieser unspektakulären Umgebung zu erleben, im vertrauten, gemütlichen Haus ihrer Mutter.
    »Und dann wollte Tante Polly mir ihre Arbeiten aus dem Zeichenkurs zeigen«, erzählt Oliver. Er hievt sich auf das Verandageländer, steckt eine Zigarette an und nimmt einen Zug. »Da ahnte ich schon, dass in ihrer Mappe lauter riesige Phalli lauern, und ich fürchtete, der Situation einfach nicht gewachsen zu sein.«
    »Tante Polly besucht einen Zeichenkurs? Wo? An der Volkshochschule oder was?«
    »Am besten fragst du sie selbst. Sie wird dir bereitwillig Auskunft geben. Zurzeit beschäftigen sie sich mit der |213| menschlichen Anatomie. Offenbar ist das männliche Aktmodell ordentlich bestückt.«
    »Tante Polly hat nie im Leben
ordentlich bestückt
gesagt.«
    Oliver reckt die Hand, in der er die Zigarette hält. »Gott ist mein Zeuge.« Allerdings deutet er dabei dieses verräterische Lächeln an.
    »Tante Polly würde so etwas wirklich nie sagen. Und wenn sie es gesagt hat, weiß sie garantiert nicht, was es bedeutet.« Polly ist die Mutter von Fig, achtundfünfzig Jahre alt und mit ergrauenden schwarzen Haaren, die sie meist zu einem Knoten hochsteckt. Zu Thanksgiving trägt sie jedes Jahr dieselbe Emaillebrosche in Form eines Truthahns.
    »Aber sicher weiß sie das«, entgegnet Oliver. »Sie meinte nicht seine Ohrläppchen. Angeblich ist sie vor allem von seinem Skrotum fasziniert. Bisher habe sie diesem Körperteil nicht viel abgewinnen können, aber bei diesem Mann sei der Hodensack eben formvollendet.«
    Hannah schüttelt den Kopf – sie müssen beide grinsen – und sagt: »Lügner!«
    »Warum? Dass deine Tante die männlichen Fortpflanzungsorgane zu würdigen weiß, ist sehr zu begrüßen. Sei nicht so intolerant.«
    Oliver hockt noch immer auf dem Geländer. Plötzlich verspürt sie den merkwürdigen Drang, mit dem Kopf gegen seine Brust zu stoßen, wie ein Widder. Auf Sex kommt es ihr bei ihm nicht an, aber in seinen Armen fühlt sie sich immer geborgen. Als er die nächste Zigarette ansteckt, hüpft ihr das Herz vor Freude – sie dachte, er würde es bei einer belassen, doch so bleibt ihnen noch ein bisschen Zeit, allein auf der hinteren Veranda. Dass Oliver raucht, stört sie gar nicht, dabei stört es sie durchaus, wenn andere rauchen. In seinem Fall wirkt der Rauch wie eine Erinnerung an ihn, selbst wenn er dabei ist.
    |214| »Vielleicht geh ich nachher meinen Dad besuchen«, sagt sie. »Wie findest du das?«
    Oliver zuckt mit den Schultern. »Wenn du meinst.«
    »Dir ist aber klar, dass ich mit ihm seit Jahren kein Wort mehr gewechselt habe?«
    »Nicht, seitdem er dich mit Pasta zwangsernähren wollte, wenn ich mich richtig erinnere?« Auch wenn Oliver meist gar nicht richtig zuzuhören scheint, prägt er sich alles ein. Es ist zugleich ärgerlich und schmeichelhaft.
    »Kommst du mit, falls ich hingehe?«, fragt Hannah.
    »Darf ich oder soll ich?«
    »Beides.«
    »Ich sollte. Ich will aber nicht.« Vermutlich spürt er ihren Unmut, als er den Arm ausstreckt und sie an sich zieht, so dass sie jetzt seitlich an seiner Brust lehnt. Abgesehen von der Zigarette, die ihren Haaren gefährlich nahe ist, entspricht es ziemlich genau ihrer Vision von vorhin, mit ihr als Widder. »Du kommst auch ohne mich klar«, sagt er mit liebevoller Nachsicht. »Bist doch ein großes Mädchen.«
     
    Hannah tritt im vierten Stock aus dem Lift und geht den mit Teppichboden ausgelegten Flur bis zur Wohnungstür ihres Vaters entlang. Hier lebt er seit fast zehn Jahren, seit er ihr Haus an der Main Line verkauft hat. Ihr Herz pocht zwar, aber sie klopft ohne Zögern an. Klopfen ist etwas Alltägliches. Als ihr Vater die Tür öffnet, lächelt er so freundlich und unverbindlich, wie er vielleicht die Tochter eines Nachbarn anlächeln würde, und sagt: »Komm rein!« Drinnen nimmt sie die angebotene Diätcola entgegen; er nimmt das Gleiche (wie bizarr, im Grunde schulmädchenhaft, ihren Vater

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