Also lieb ich ihn - Roman
beschützendem Tonfall hört Hannah, wie sehr sich ihre Cousine zu dieser Frau hingezogen fühlt. Die Beziehung könnte sich zwar wieder als eine von Figs verrückten Eingebungen entpuppen, aber nicht nur. »Ein zartes … ja, ein zartes Gesicht und grüne Augen. Sie heißt Zoe.«
»Lange oder kurze Haare?«
»Kurz.«
Hannah ist erleichtert. Irgendwie wäre es ihr nicht fair, aber auch wieder typisch erschienen, wenn Figs lesbische Geliebte lange blonde Haare gehabt hätte. »Ist es denn wirklich so anders als mit einem Mann?«
»Kaum. Auf oralen Sex bin ich sowieso immer mehr abgefahren als auf Penetration.«
»Iiiih, Fig. So war die Frage nicht gemeint.«
|223| »Wie sonst?« Fig grinst. »Alle wollen wissen, wie das ist, wenn es zwei Mädchen treiben. Und wie gestaltet sich dein Sexleben mit Oliver?«
»Geht dich nichts an.«
»Oliver ist süß«, sagt Fig zu Hannahs Bestürzung. Sie ist vor allem deshalb bestürzt, weil Oliver ihr, kurz nachdem sie ihm Fig – die eine schwarze Bluse mit tiefem Ausschnitt trägt – vorgestellt hatte, ins Ohr flüsterte: »Die Brüste deiner Cousine sind eine Wucht.« Wahrscheinlich tauschen er und Fig quer durch den Raum gerade jene außersinnlichen Signale aus, die hochattraktiven Menschen vorbehalten sind:
Du bist heiß, beep beep. Ja, ich weiß, du aber auch, beep beep. Ich fass es nicht, dass ich jetzt neben Hannahs verschnarchtem Stiefvater hocken muss.
Als Oliver Figs Brüste ansprach, sagte Hannah: »Frag sie doch, ob du mal anfassen darfst«, und er erwiderte: »Warum fragen? Wo bleibt da der Überraschungseffekt?«
»Meine Mutter findet ihn auch süß«, sagt Fig. »Hey Mom!«
Tante Polly steht am Kamin und unterhält sich mit Allison.
»Ist Hannahs Freund nicht süß?«, ruft Fig.
Tante Polly hält sich eine Hand hinters Ohr.
»Hannahs Freund«, wiederholt Fig und hebt den Daumen. (
Hannahs Freund
– immer noch die merkwürdigste Wendung, die Hannah sich denken kann.
Zwergelefant
, fällt ihr ein,
Vorläufiges Endergebnis
.)
»Oh, er ist hinreißend, Hannah«, ruft Tante Polly. »Dieser australische Akzent!«
»Er kommt aus Neuseeland.« Hannah hat das Gefühl zu brüllen.
»Allison hat mir erzählt, dass ihr euch bei der Arbeit kennengelernt habt. Wir …« Tante Polly neigt den Kopf nach rechts und weist mit dem Finger in dieselbe Richtung. |224|
Wir reden nachher in der Küche weiter
, will sie sagen.
Oder lass uns zumindest so tun, als wollten wir das, damit wir uns jetzt nicht länger anschreien müssen.
»Ist dir aufgefallen, was für einen superekligen Mundgeruch Mrs. Dawes heute Abend hat?«, fragt Fig. Hannah verspürt jäh den Drang, nach Oliver zu sehen. Vielleicht verfügt sogar sie über diese außersinnliche Wahrnehmung, vielleicht ist das Phänomen doch nicht an den Höchstgrad körperlicher Anziehungskraft gebunden. Das Gespräch mit Hannahs Mutter und Frank hat Oliver ermüdet, er sehnt sich nach einer Zigarette, und er möchte, dass Hannah ihm Gesellschaft leistet, wenn er draußen eine raucht. Das weiß sie. »Als ob sie sich zu Hause noch rasch eine Knoblauchknolle in den Rachen geschoben hätte«, meint
Fig.
Hannah berührt Figs Unterarm. »Warte mal kurz«, sagt sie. »Tut mir leid. Aber ich bin gleich wieder da.«
Warum hat sich Hannah in Oliver verliebt? Weil er ihr einen Splitter aus der Haut gezogen hat.
Manchmal sagt sie sich, dass sie ihn ja gar nicht mochte, bevor er mit ihr zusammen war, als ob das irgendwie eine Entschuldigung wäre. Sie kannte ihn, sie teilte sich mit ihm ein Büro, und sie mochte ihn nicht. Allerdings könnte ihre ursprüngliche Abneigung sie sogar umso leichtgläubiger erscheinen lassen, wenn man bedenkt, was sich seither zwischen ihnen abgespielt hat.
Im Büro saßen sie an ihren Schreibtischen mit dem Rücken zueinander. Wenn sie ihn telefonieren hörte, oder schlimmer noch, wenn eine der hübschen jungen Kolleginnen, die meist ganz frisch bei der Stiftung angefangen hatten, vorbeikam und im Türrahmen verweilte, um sich entweder auf ein außerbüroliches Abenteuer mit Oliver einzustimmen oder sich, noch ganz benommen von einem |225| solchen Abenteuer, zu erholen, ignorierte Hannah sowohl ihn als auch die Frau. Das ganze Geplänkel ekelte sie an, egal ob die Frau so erfahren und abgebrüht war wie Oliver oder im Gegenteil naiv und voller Illusionen. Nach einer Weile nahm Hannah es nicht einmal mehr zur Kenntnis. Ihr Desinteresse an Oliver war so ausgeprägt, dass er sie durch nichts aus
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