Also lieb ich ihn - Roman
schon immer viel zu sehr zu Herzen genommen.«
»Du hast gut reden. Gerade jetzt.« Wobei Fig durchaus nicht falsch liegt. Jahrelang hat Hannah gedacht, dass ihre Cousine sich über Männer definierte, über die Anziehungskraft, die sie auf Männer ausübte, darum empfindet sie es auch als so schockierend – beinahe eine Verschwendung –, dass Fig sich jetzt auf eine Frau eingelassen hat. Doch im Grunde war vielleicht Hannah diejenige, die Männern eine solche Macht über ihr Leben einräumte, zunächst indem sie sich beständig darüber den Kopf zerbrach, warum sie mit keinem zusammenkam; als sie dann später mit dem einen oder anderen zusammen war, fiel ihr stets etwas Neues ein, worüber sie sich den Kopf zerbrechen konnte.
»Wenn du mit Oliver schon nicht Schluss machen willst, solltest du ihn zumindest zur Rede stellen«, sagt Fig.
»Er weiß, dass ich weiß. Das Thema haben wir ausgiebig diskutiert.«
»Im Ernst? Ihr führt eine offene Beziehung?«
»Ich weiß nicht, ob man es wirklich so nennen kann. Von mir aus nicht. Auf dem Hinflug hab ich ihn noch |256| gebeten, sich hier zurückzuhalten, und dachte dabei an dich. Ich habe deinen Namen gar nicht erst fallenlassen, weil ich ihm keinen Floh ins Ohr setzen wollte, aber ich dachte dabei an dich.«
»Du solltest mich besser kennen, Hannah. Als Teenager hätte ich ihn vielleicht geküsst oder sonst was mit ihm gemacht, aber jetzt doch nicht.«
»Na ja, er hätte dich ganz bestimmt geküsst. Eigentlich bewundernswert, dass er sich so verhält – dass er sich nie den Gegebenheiten anpasst. Ich meine, er hat dich vor den Augen meiner Mutter betatscht. Wer sich so schlecht benimmt, ist immerhin ehrlich, oder?«
»Du hältst ihn ja echt an der langen Leine«, sagt Fig. »Wo doch so anständige Jungs durch die Gegend laufen.«
»Klar, und mit einem von ihnen war ich auch schon zusammen. Als Frank und ich bei Mrs. Dawes im Haus waren, dachte ich noch, dass Oliver sich bestimmt nicht um mich kümmern würde, wenn ich alt und gebrechlich wäre. Und dann dachte ich, Mensch, er würde mir ja nicht einmal helfen, wenn ich mich um, sagen wir mal, meine Mutter kümmern müsste. Mike war dagegen ein totaler Kümmerer, und er konnte es mir trotzdem nie recht machen. Oliver und ich haben eine Menge Spaß miteinander. Es ist ja nicht so, dass mir die ganze Zeit elend zumute ist. Vielleicht finde ich nie was Besseres.«
»O Gott«, sagt Fig. »Wie deprimierend.« Sie dreht den Kopf zu Hannah. »Versteh mich bitte nicht falsch, aber so langsam solltest du dir diese Leier vom mangelnden Selbstwertgefühl abgewöhnen. Das wird allmählich öde, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Mir mangelt es nicht an Selbstwertgefühl«, erwidert Hannah.
»Sicher.«
»Echt nicht.«
|257| »Jetzt hör mir mal gut zu«, sagt Fig, »denn ich werde es nicht wiederholen. Du bist ein sehr integrer Mensch. Das ist eine deiner besten Eigenschaften. Und du bist aufrichtig. Vielleicht könntest du das Leben mehr genießen, wenn du es
nicht
wärst, aber so ist es halt. Man kann sich hundertprozentig auf dich verlassen, man kann dir blind vertrauen. Du bist nicht gerade schreiend komisch – nimm’s mir bitte nicht übel –, aber du hast durchaus Sinn für Humor, und du weißt es zu schätzen, wenn andere komisch sind. Du bist einfach solid, und das ist eine Seltenheit.«
»Sag bitte, dass du solide meintest.«
»Hab ich doch gesagt.«
»Du hast solid gesagt. Solid ist vielleicht ein Esstisch.«
»Hannah, ich überhäufe dich mit Komplimenten. Hör auf, so zu tun, als sei dir das nicht klar. Und als du mich in Cape Cod vor diesem schleimigen Prof gerettet hast – das war so ungefähr eins der drei nettesten Dinge, die man je für mich getan hat. Ich wusste, du warst dafür die Richtige, als ich dich anrief, weil du der einzige Mensch bist, der sich einfach ins Auto setzen würde, ohne lange Erklärungen zu verlangen.«
»Mag sein, als du aber Philip Lake besuchen wolltest, hab ich dich im Stich gelassen.«
»Wer ist Philip Lake?«, fragt Fig.
»Willst du mich verschaukeln? Der Mann aus L. A., der Mann deiner Träume!«
»Ich wusste doch, der Name kommt mir irgendwie bekannt vor.«
»Fragst du dich nicht manchmal, was aus ihm geworden ist?«
»Kaum«, erwidert Fig.
Sie verstummen beide für eine Weile.
»Wenn jetzt schon die Stunde der Wahrheit schlägt«, sagt Hannah, »sollte ich dir verraten, dass diese Cape-Cod-Aktion |258| auch meine Leidenschaft für Henry geweckt hat.
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