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Alta moda

Alta moda

Titel: Alta moda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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die reine Luft einzuatmen. Ich hütete mich aber, das Gesicht im Verlangen nach der Morgensonne himmelwärts zu kehren, denn so etwas nannten sie ›kriminalistische Anwandlungen‹, und das eine Mal, als ich es gewagt hatte, schlug man mir den Kopf mit Gewalt nieder.
    Noch einen Sieg hatte ich errungen: Die schwere Kette an meinem Fuß saß immer viel zu straff, und nach ein paar Tagen war ich ziemlich sicher, daß sie mir den Knöchel wundgescheuert hatte. Eines Morgens bat ich den Holzfäller, sich die Stelle anzusehen, und tags darauf brachte er eine Salbe mit und verarztete mich. Über den eingecremten Knöchel kamen Watte und Pflaster, und außerdem umwickelte er die Kette mit einem Stück Plastik, wie von einem Fahrradschlauch. Warum konnten sie die Fessel nicht einfach lockerer lassen? Diese übertriebene Vorsicht war doch lächerlich. Aber ich sagte nichts, sondern sann auf weitere Vergünstigungen. Als nächstes wollte ich mir einen Apfel – irgend etwas Frisches, Vitaminhaltiges – erbitten und ein kleines Stückchen Seife. Ich wartete also einen günstigen Moment ab und sprach mit dem Holzfäller, als der wieder einmal allein war. Fürs erste bat ich nur um den Apfel. Eins nach dem anderen. Die Seife war nicht so wichtig wie Vitamine.
    Inzwischen hatte ich herausgefunden, daß sie abends gewöhnlich zu zweit waren, der Holzfäller aber die meiste Zeit hier verbrachte. Und obwohl der nie in meine Nähe kam, wußte ich auch, daß es einen Boss gab, vor dem alle anderen Angst hatten. Ich wußte das, weil der Holzfäller manchmal, wenn ich ihn um ein neuerliches Zugeständnis bat, die Lippen dicht an mein verstopftes Ohr brachte und mir zuraunte: »Darf ich nicht. Befehl vom Boss.« Ich war überzeugt, daß er die Wahrheit sagte.
    Ich reimte mir noch mehr zusammen, sobald mein Gehör sich auf die Pfropfen eingestellt hatte, Geräusche zu unterscheiden begann und ihren neuen, gedämpften Klang zu deuten lernte.
    »Plopp! Plopp! Plopp!« Das dröhnte wie Wachs, das in meine Ohren tropfte, nur von weiter her. Jäger! Kein Wunder, daß meine Entführer keine Scheu hatten, sich mit Gewehrschüssen zu verständigen. In Anbetracht des dichten Unterholzes, durch das wir auf Händen und Knien gerobbt waren, befanden wir uns wahrscheinlich in einem Wildschweinrevier, und die Jäger waren mit Schweißhunden unterwegs. Ich verbrachte – vergeudete – Stunden damit, mir auszumalen, wie sie, von ihren neugierigen Hunden angeführt, durch Zufall auf dieses Versteck stoßen würden. Ein Dutzend Szenarien entwarf ich, die zu meiner Rettung führten, und legte sogar exakt den Augenblick fest, in dem ich es wagen konnte, mich bemerkbar zu machen: »Hilfe! Hier bin ich! Helfen Sie mir!« Aber die Realität brachte meine Phantasiegebäude jedesmal zum Einsturz, und das aus zwei Gründen: Zum einen würde eine Jagdgesellschaft, die das Lager und vielleicht sogar meine bewaffneten Wärter entdeckte, nur glauben, sie wäre in fremdes Revier geraten, und sich aufs eigene Terrain zurückziehen; zum anderen – und das ist schon schwerer zu erklären – hatte ich dem Holzfäller versprochen, mich still und fügsam zu verhalten, wofür er im Gegenzug für mein Überleben garantierte. Hätten die Jäger mich in den ersten paar Tagen aufgespürt, ich hätte mir die Seele aus dem Leib geschrien. Inzwischen hatte man mich kleingekriegt. Ich hatte mein Wort gegeben. Ich würde stillhalten. Plopp! Plopp! Plopp! An den Tagen, wenn die Schüsse knallten, waren sie nervös, sogar der Holzfäller. Nach einiger Zeit fiel mir ein, daß dienstags und freitags Jagdverbot herrschte. Ich selber bin nie auf die Jagd gegangen, aber wir haben ein Ferienhäuschen auf dem Lande, und ich ließ Tessie dort immer nur an diesen beiden Tagen unbeaufsichtigt draußen herumstromern. Es sind schon so viele Hunde in den Bergen abgeknallt worden, manche aus Versehen, andere vorsätzlich. An jagdfreien Tagen versuchte ich die Zeiten abzupassen, in denen der Holzfäller allein war, teils um ein bißchen Ansprache zu finden, teils um ihm weitere kleine Zugeständnisse abzuschmeicheln.
    Ungefähr zu der Zeit, als ich erraten hatte, daß wir uns in einem Jagdgebiet befanden, besserte sich das Essen. Der Holzfäller gestand mir, es habe eine Menge Streit und Geldsorgen gegeben, als der Irrtum, daß man mich statt meiner Tochter erwischt hatte, entdeckt wurde. Einzelheiten gab er, aus naheliegenden Gründen, nicht preis, sondern sagte nur immer wieder: »Das ist voll

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