Alta moda
übte sich weiter in Geduld.
Wieder klingelte das Telefon.
»Maresciallo Guarnaccia.«
»Ich habe die gewünschte Akte. Soll ich sie Ihnen rüberschicken?«
»Nein, sagen Sie mir in groben Zügen, worum es geht und wann er das letzte Mal eingelocht war. Er ist doch jetzt draußen, oder?«
»Ja, ja. Hat auch gar nicht lange gesessen. Kunstdiebstahl – Einbrüche in diversen Villen rings um Florenz – aber ich nehme an, das wissen Sie bereits… wurde vor rund anderthalb Jahren entlassen. Brauchen Sie sonst noch was?«
»Seine Adresse.«
»Gemeldet ist er Via Santo Spirito Nummer 17. Noch was?«
»Nein, aber schicken Sie die Akte nicht gleich ins Archiv zurück, sondern leiten Sie sie in meinem Namen an Capitano Maestrangelo weiter. Ich werde ihm alles Nötige erklären. Danke, das war’s.«
Um ehrlich zu sein, erinnerte er sich nur noch dunkel an den Fall, aber das war nicht weiter schlimm. Es blieb noch reichlich Zeit zum Aktenstudium, und versiertere Leute als er würden sich damit befassen. Zuvor jedoch stellte sich die Frage nach den Beweisen.
»Nein, keine Beweise«, räumte er ein, als Maestrangelo ihn anrief. »Ich versuche nur, die Zusammenhänge zu verstehen.«
»Und Sie haben ins Schwarze getroffen. Ein gefährlicher Typ. Habe ihn selbst festgenommen.«
Im Gegensatz zum Maresciallo hatte der Capitano den Fall noch deutlich in Erinnerung. Ein freiberuflicher Fotograf, spezialisiert auf Homestorys von Prominenten. Er wählte die Motive aus, inspizierte alle geeigneten Räumlichkeiten, plauderte mit den Klienten, um ihnen die Befangenheit zu nehmen. Bis zu den Raubzügen ließ man eine angemessene Frist verstreichen, und ausgeführt wurden sie von professionellen Einbrechern, die indes keine Kunstkenner zu sein brauchten, da sie anhand der Fotos memorieren konnten, was sie stehlen sollten. Wieder mit Hilfe der Fotos wurden in der Zeit zwischen Aufnahmesession und Einbruch bei den diskreten Kunden ebenso diskreter Kunstund Antiquitätenhändler die entsprechenden Aufträge eingeholt. Alles lief reibungslos, bis der Fotograf bei seiner Festnahme enttarnt wurde.
Im Gefängnis war ihm dann wahrscheinlich der zündende Einfall gekommen: Warum nicht gleich den Hausbesitzer stehlen? Ein ganz großer Coup, und man hätte ausgesorgt.
»Aber«, setzte der Maresciallo hinzu, »nach unseren Recherchen über die Familie hat er keine gute Wahl getroffen. Gewiß, Werte sind vorhanden – der Palazzo, die Firma –, aber die Contessa expandiert kräftig, und gegenwärtig hat sie sich ganz schön übernommen. Und Immobilienbesitz ist auch nicht gerade ideal. Entführer wollen Bargeld, das umgehend verfügbar ist, diskret investiertes Kapital, das sich nirgendwohin zurückverfolgen läßt. Mit Antiquitäten mag der Mann sich ja ausgekannt haben, aber beim Ausspionieren der Familie Brunamonti, da hat er ordentlich danebengehauen. Oder was meinen Sie?«
»Ich glaube, daß ihn wer belegen hat«, sagte der Maresciallo.
»Ich kann Ihnen nicht folgen. Warum ihn belügen? Wäre es da nicht besser gewesen, gar nichts zu sagen?«
»Die Leute reden… aus den unterschiedlichsten Gründen. Sogar die Contessa selbst wollte womöglich reicher erscheinen, als sie ist. Vielleicht macht es auch die Atmosphäre, und Frauen werden beim Fotografen ähnlich gesprächig wie beim Friseur.«
»Aber sagten Sie nicht, er hatte nur den einen Termin bei den Brunamontis?«
»Doch, ja. Soviel ich weiß.«
Die Staatsanwaltschaft bestellte Leonardo Brunamonti, den Detektiv Charles Bently und Signor Patrick Hines für vier Uhr nachmittags in Fusarris Büro. Den Herren wurde versichert, daß man sie in keiner Weise bedrängen und in ihrem Vorgehen beeinflussen, sondern sie im Gegenteil über den Stand der Ermittlungen informieren wolle sowie über denkbare Aktionen seitens der Carabinieri – Aktionen zum Schutz der Geisel.
Was natürlich nicht ganz der Wahrheit entsprach, wie Fusarri dem Capitano schmunzelnd gestand. »Aber es dürfte ein wirksames Lockmittel sein.«
Leider wirkte es nur bei zweien. Hines schützte Kopfweh vor und entschuldigte sich mit dem nicht zu widerlegenden Hinweis, die beiden anderen würden ihn schon gebührend ins Bild setzen.
Fusarri rief Maestrangelo an. »Der verdammte Kerl spielt den Aufpasser bei der Tochter. Ich weiß nicht, was wir noch tun könnten, außer ihn festzunehmen.«
Maestrangelo rief den Maresciallo an. »Ich gehe trotzdem hin«, entschied Guarnaccia. »Ich sagte Ihnen ja schon, der Mann
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