Alta moda
Maresciallo, sie hat das Zimmer ihrer Mutter ausgeräumt, hat in Olivias Privatpapieren geschnüffelt, einen Teil ihrer Garderobe weggegeben und ihren Schmuck verkauft, unter dem Vorwand… Mein Gott, in einer Abfalltüte beim Müll habe ich sogar Olivias Lieblingsplatten gefunden! Ihre Tochter begräbt die eigene Mutter bei lebendigem Leib, begreifen Sie das? Caterina ist ein Ungeheuer! Wissen Sie schon, daß sie die kleine Filipina auf die Straße gesetzt hat?«
»Ja… wer soll nun diesen großen Haushalt führen…«
»Du lieber Himmel, Sylvia hat doch nicht den Haushalt geführt! Sie ist ein anhängliches kleines Ding, aber nicht gerade besonders anstellig. Nein, sie hat sich ausschließlich um Olivia gekümmert, besonders während meiner Abwesenheit. Sie hielt ihre Garderobe in Ordnung, brachte ihr morgens den Kaffee und abends eine heiße Schokolade, pflegte sie, wenn sie die Grippe hatte, und wenn sie verspannt und überarbeitet war, hat Sylvia ihr den Nacken massiert. Für die Sauberkeit im Haus sorgen Putzfrauen, und eine Köchin ist auch da, eine Hiesige, die zwar nicht im Palazzo wohnt, aber schon seit Ewigkeiten für die Brunamontis arbeitet. Sylvia wollte immer servieren, wenn Olivia Gäste hatte, weil ihr der festliche Rahmen gefiel, aber sehr viel Geschick hatte sie nicht, das arme Ding. Olivia hat sie immer wie eine Tochter gehalten, und ich habe mehr als einmal gehört, wie Sylvia sie aus Versehen ›Mama‹ nannte. Dafür hat Caterina sie bestimmt gehaßt. Und nun ist das Mädel rausgeflogen, und der Palazzo Brunamonti hat statt dessen einen Pförtner, wie sich das für einen Palazzo Brunamonti gehört.«
»Und das Tor bleibt verschlossen. Ja, jetzt verstehe ich.« Wie oft hatte sie gesagt: Vielleicht ist sie ja schon tot…‹ Und er hatte sich bemüßigt gefühlt, ihr Trost zuzusprechen. »Darum also! Wenn es ihr gelänge, Sie einzufangen, hätte sie einen weiteren Nagel in den Sarg ihrer Mutter getrieben, hätte die Aufmerksamkeit, die ihre Mutter genoß, auf sich gelenkt. Ich wünschte bloß, ihr Motiv, mich einzuspannen, wäre genauso leicht zu durchschauen.«
»Stimmt, was bezweckt sie damit? Ich sage Ihnen, Caterina verfolgt klammheimlich ihren eigenen Plan, ohne daß es bis jetzt jemand bemerkt hat. Sie hat sich immer darüber beklagt, daß kein Mensch von ihr Notiz nehmen würde. Und wie hat die arme Olivia sich überschlagen, um ihr das Gegenteil zu beweisen.«
»Und wie war das mit ihrem Sohn?«
»Bei Leo brauchte sie sich solche Sorgen nie zu machen. Die zwei sind sich sehr ähnlich, haben ein enges Verhältnis, sind beide sehr begabt. Zwischen ihnen herrscht eine ganz selbstverständliche Harmonie, und Caterina war natürlich eifersüchtig. Sie würde alles tun, um einen Keil zwischen die beiden zu treiben. Früher habe ich noch versucht, Olivia die Augen zu öffnen, habe ihr gesagt, daß Probleme nur schlimmer werden, wenn man sie verdrängt. Aber vergebens, sie hat Leo sein Leben lang dazu angehalten, daß er seine Schwester behandelt wie eine Tretmine, die jeden Moment hochgehen kann.«
»Scheint mir eine treffende Einschätzung.«
»Ja, das schon, aber ich finde, man hätte Caterina trotzdem etwas mehr Realitätsnähe beibringen müssen. Diese übertriebene Fürsorge hat doch nur ihren Hang zur Selbsttäuschung gefördert.«
Wieder nippte er an seinem Brandy. »Gott, so nötig hab ich meiner Lebtag noch keinen Drink gebraucht. Ach, entschuldigen Sie, darf ich Ihnen…?«
»Nein, nein…« Der Maresciallo war froh, den Mann in einem solchen Moment erwischt zu haben. Hines stand derart unter dem Einfluß seines Privatdetektivs, daß er ohne dieses Schockerlebnis bestimmt nicht so offen mit ihm gesprochen hätte. Ihm fiel ein, was Leonardo über das Hündchen gesagt und was ihn nicht überzeugt hatte: Ich lasse mich eben zu sehr von Gefühlen leiten. Tessie braucht rund um die Uhr medizinische Betreuung, die sie bei uns nicht hätte. Das waren gar nicht seine Worte gewesen, sondern die seiner Schwester! Hines bestätigte seinen Verdacht.
»Sie haben Recht, wortwörtlich hat sie ihm das eingetrichtert. Jahrelang hat er ihr um des lieben Friedens willen nie widersprochen, und ich fürchte, jetzt, wo er ganz gebrochen ist und orientierungslos ohne Olivia, auf die er baute wie auf einen Fels, jetzt wittert diese kleine Hexe ihre Chance und macht sich seine Labilität zunutze, um den armen Jungen zu manipulieren. Nach ihrer Version hätte Olivia mit ihren Expansionsbestrebungen
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