Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alta moda

Alta moda

Titel: Alta moda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
Vom Netzwerk:
erkannte, preßte sie die rotglänzenden Lippen zu einem schmalen Strich zusammen und schlug ihm die Tür vor der Nase zu.
    9
    Der Maresciallo folgte Patrick Hines’ Beispiel und nahm die Treppe. Zu Fuß ging es langsamer als mit dem Aufzug, und die Verzögerung war ihm lieb; nicht, weil er Zeit zum Nachdenken gebraucht hätte, nein, das erübrigte sich. Abgesehen von dem Schock angesichts der nackten jungen Frau ging es nur noch darum, einzusehen, was er bislang nicht hatte wahrhaben, geschweige denn beim Namen nennen wollen. Ihre Pose, hoch aufgerichtet und starr, der seitwärts geneigte Hals, so lang und bleich, über den sie ihn mit einem Auge angefunkelt hatte: Das war die Haltung einer Schlange, die ihr Opfer hypnotisiert.
    Bloß, was hatte sie von ihm gewollt? Wozu konnte er ihr nützen? Und was wollte sie eigentlich von Hines? Liebe allein war es bestimmt nicht, ebensowenig wie Sex. Von ihrem schlanken weißen Leib war eine solche Kälte ausgegangen, daß den Maresciallo noch unten im warmen, windgeschützten Innenhof ein Frösteln überkam.
    Der Springbrunnen plätscherte, und der frische Duft der Frühlingsblumen würzte die milde Luft. Signora Verdi kam aus dem verglasten Ateliertrakt. Offenbar hatte sie ihn vorhin hinaufgehen sehen und seine Rückkehr abgepaßt. Der Maresciallo ging ihr entgegen. Auch er mußte mit ihr reden, aber nicht jetzt.
    »Haben Sie schon gehört? Tessie mußte eingeschläfert werden!« Die Signora weinte so ungeniert, daß ihr die hellen Tränen über die Wangen und in den Kragen liefen.
    »Ach Gott, wenn das kein böses Omen ist. Wie hat es uns allen Mut gemacht, als sie lebend nach Hause fand, und jetzt…«
    »Ich kann Sie gut verstehen, Signora. Wirklich jammerschade, nachdem das Tierchen sich so tapfer durchgeschlagen hatte. Aber ein Omen – nein. Sie dürfen sich nicht mit solchen Gedanken quälen. Die Contessa…«
    »Haben Sie Nachricht von ihr? Ja?«
    »Nein… das heißt… wir haben… gewisse Anhaltspunkte, Informationen. Sie müssen Geduld haben, Signora, so was dauert. Kümmern Sie sich unterdessen ums Geschäft, damit hier alles seine Ordnung hat, wenn die Contessa zurückkommt. Da haben Sie doch bestimmt alle Hände voll zu tun.«
    Die Züge der Frau verhärteten sich, und sie warf einen finsteren Blick zur Pförtnerloge. »Da können Sie unbesorgt sein. Soweit es uns angeht, wird Olivia alles so vorfinden, wie sie es verlassen hat.«
    »Ja, das glaube ich gern. Hören Sie, Signora, ich komme morgen wieder, dann können wir über alles reden, aber jetzt… Sie haben nicht zufällig gesehen, wo Signor Hines eben hingegangen ist?«
    »Der wollte einen trinken gehen, wenn ich recht verstanden habe. Sah auch ganz so aus, als ob er eine Stärkung nötig hätte. Wahrscheinlich hat auch er das mit Tessie als böses Zeichen aufgefaßt. Ich hätte eigentlich was mit ihm besprechen müssen, aber er sagte bloß, er sei gleich wieder da. Er wird sich wohl drüben bei Giorgio einen genehmigen.«
    Und wer wollte ihm das verdenken? Der Maresciallo fand ihn im hintersten Winkel des Nebenzimmers. All die anderen Tische vor den grauen Plüschbänken waren noch leer; nur vorn im Durchgang saßen zwei ältliche Touristinnen und tranken Tee.
    Vor Hines stand ein großer Brandy, den er aber anscheinend noch nicht angerührt hatte. Dafür war sein Kopf schon ganz in Zigarettenqualm gehüllt, und eben steckte er sich mit zitternden Fingern die nächste an. Seine Züge waren immer noch schreckensbleich.
    »Darf ich…?« fragte der Maresciallo und setzte sich ihm gegenüber. Nach einem kurzen stummen Blickwechsel schoß Hines plötzlich flammende Röte ins Gesicht.
    »Sie haben doch nicht etwa geglaubt…«
    »Nein, nein… keine Sekunde.«
    Hines nippte an seinem Glas. »Mir ist kotzübel, das sag ich Ihnen! Unter anderen Umständen, da könnte ich’s ja noch verstehen, daß sie sich so was einfallen läßt. Man hört in der Beziehung ja so manches, und sie ist obendrein dermaßen überspannt – viel schlimmer, als Olivia wahrhaben will. Aber ausgerechnet jetzt… wo ihre eigene Mutter… das ist doch direkt widernatürlich! Obwohl, Sie in Ihrem Beruf, Sie sind vermutlich an allerhand Perversitäten gewöhnt.«
    »Schon, aber das hier verstehe ich trotzdem nicht ganz. Ich meine, was will Sie eigentlich von Ihnen?«
    »Mich in ihr Bett locken, das haben Sie doch gesehen – ins Bett ihrer Mutter, um genau zu sein, und das ist der Gipfel der Gemeinheit. Stellen Sie sich vor,

Weitere Kostenlose Bücher