Alta moda
überhaupt, nämlich Kinderschänder und Mörder, die für ihre gefügige, unauffällige Alltagspose bekannt seien. Wenn letztere sich bei einem Freigang absetzten (und womöglich abermals einen Mord begingen), würden sie in der Regel wieder geschnappt; Männer wie Puddu aber verschwänden spurlos.
Entführungen werden hart geahndet, härter als die meisten Tötungsdelikte, doch verkommen selbst drakonische Gesetze zur bloßen Farce, wenn die Verurteilten schon nach Verbüßung des halben Strafmaßes auf Bewährung freikommen und untertauchen können. Jedesmal, wenn ein Entführungsopfer unversehrt befreit wird, erschallen Jubelrufe. Natürlich sind wir alle erleichtert, die Geisel wohlbehalten in den Schoß der Familie zurückkehren zu sehen, und keiner will der erste sein, der eine kritische, eine mahnende Stimme in den allgemeinen Freudenchor mischt. Und doch dürfen wir uns der Tatsache nicht verschließen, daß jeder Entführungsfall, bei dem die Geisel erst nach erfolgter Lösegeldzahlung und nach Gutdünken der Kidnapper freikommt, für unser Rechtssystem keinen Sieg, sondern eine Niederlage bedeutet. Wie viele Gesetze, so ist auch das über die Sperrung der Vermögenswerte im Entführungsfall in der Theorie streng und unbeugsam, bestraft es doch nicht zuletzt diejenigen, die unversteuertes Kapital für eine Lösegeldzahlung bereitstellen, Kapital, von dessen Existenz der Staat ohne diesen besonderen Notfall niemals etwas erfahren hätte. In der Praxis aber fallen solche Transaktionen dann unter den Schutz des Paragraphen 7, Absatz 4 und werden als ›Zahlungsleistung im Dienste polizeilicher Aufklärung‹ höchst glimpflich behandelt. Und nicht genug damit, daß diese sogenannte ›polizeiliche Aufklärung‹ nach der Freilassung der Geisel keine Verhaftungen zeitigt, nein, der Bürger muß sich auch noch im Fernsehen von zwei Kabinettsministern mit dem Hinweis trösten lassen, das Gesetz, die Sperrung von Vermögenswerten betreffend, sei recht flexibel interpretierbar. Ein flexibles Gesetz aber nützt soviel wie gar keines. Unwillkürlich fällt einem dabei die Volksweisheit ein, der zufolge das Gesetz ein Instrument sei, das man gegen seine Feinde anwendet und zugunsten seiner Freunde auslegt. Ich teile die Freude und Dankbarkeit eines jeden Mitbürgers, wenn eins dieser beklagenswerten Geiselopfer freikommt, gleichwohl steht für mich außer Frage, daß – zumindest auf Sardinien – der sogenannte Einfrierungsparagraph nur Schmalspurganoven und Amateure abschrecken kann. Nicht nur das, eine Reihe von solchen Subjekten verschleppte Geiseln sind auch nicht wieder aufgetaucht, was wiederum zu einer Verlängerung der Haftstrafen geführt hat. Aber den Profis, den Kidnappern großen Stils, ist mit solchen Sanktionen überhaupt nicht beizukommen. Die teilen den betroffenen Familien kaltblütig mit, falls ihre Vermögenswerte eingefroren werden, müßten sie eben eine andere Regelung finden. Und böse Zungen behaupten, daß denjenigen, die dazu nicht in der Lage sind, der Staat unter die Arme greift! Das ist kein Sieg über das Verbrechen, das ist, bestenfalls, eine traurige Niederlage und im schlimmsten Falle Kollaboration, und in meiner Eigenschaft als Richter fühle ich mich ohnmächtig, ja düpiert, wenn ich an die Verbrecher denke, die sich nach einer erfolgreich abgewickelten Entführung auf Kosten der Steuerzahler auf den Bahamas vergnügen. Angesichts solcher Beispiele muß ferner damit gerechnet werden, daß die Fälle von erpresserischem Menschenraub bei Reichen und Prominenten mit Beziehungen zu Regierungskreisen noch zunehmen werden.
Indes können wir momentan nur darauf hoffen, daß dieses Gesetz, solange es in Kraft bleibt, auch zur Anwendung kommt, und zwar mit aller gebotenen Schärfe. Andernfalls wäre es ebenso revisionsbedürftig wie das, welches gefährliche Gewaltverbrecher fahrlässig auf freien Fuß setzt und so einem Puddu die Chance gab, die Contessa Brunamonti zu entführen. Ich – und hier spreche ich wohl für die meisten meiner Landsleute –, ich will das nicht länger hinnehmen. Mein Vorschlag ist, den sogenannten Einfrierungsparagraphen aufzuheben. Statt dessen wünsche ich mir, daß der Staat und der Gesetzgeber endlich wirksam gegen die Kidnapper vorgehen: mit verschärften Geländepatrouillen, wirksamen Maßnahmen zur Ergreifung flüchtiger Verbrecher und dem Einsatz von Sonderkommandos in Risikogebieten. Danach erst würde ich eine gesetzliche Neuregelung in Angriff
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