Altar der Ewigkeit: Thriller (German Edition)
vernichtenden Blick auf Rys Ellbogen. » Es ist praktisch unmöglich, einem einzigartigen Stück wie diesem einen Wert zuzuordnen. Ich kann Ihnen aber sagen, dass eine gut erhaltene sibirische Ikone aus dem frühen 17. Jahrhundert vor Kurzem bei Sotheby’s für neunhunderttausend Pfund Sterling verkauft wurde.«
» Ach du lieber Himmel«, sagte Ry, und Zoe hätte beinahe lachen müssen, weil er so aufrichtig schockiert klang. Dann dachte sie an ihren Sprung in die Seine mit einem Gegenwert von neunhunderttausend Pfund in der Tasche und an diese wilde Motorradfahrt durch die Straßen von Paris, und ihr wurde selbst ein wenig mulmig zumute.
» O ja«, sagte Lovely. » Und wenn Sie interessiert wären zu verkaufen, dann könnte ich Sie eventuell mit einem potenziellen Käufer in Kontakt bringen. Er lebt in der Nähe von Budapest, aber er ist ein ernsthafter Sammler sibirischer Ikonen und ein Experte für sibirische Volkskunst und Artefakte. Er…«
Lovely unterbrach sich und schaute ins Leere; er schien nachzudenken, ob er noch mehr sagen sollte.
Zoe beschloss, den Versuch zu wagen und ein klein wenig offen mit dem Händler zu reden. » Mr. Lovely, ich würde mich von der Ikone meiner Großmutter genauso wenig trennen wie von meinem rechten Arm, denn sie ist ein Teil von mir, mein Erbe. Aber ich würde wirklich gern mit diesem Mann sprechen.«
Lovely zögerte noch einen Moment, dann nickte er. » Ich habe hier irgendwo seine Karte.«
Er wühlte in einer Schublade unter der Registrierkasse. » Das Komische ist, dass er mich vor Jahren bat, an ihn zu denken, sollte ich je auf eine Madonna stoßen, die einen Totenschädel im Schoß hält. Die Bitte erschien mir damals so absurd, dass ich… Ah, da ist sie ja.«
Er gab Zoe die Karte. » Das müsste alles sein, was Sie brauchen. ›Denis Kuzmin, emeritierter Professor, 336 Piroska U., Szentendre, Ungarn.‹ Und eine Telefonnummer.«
Zoe steckte die Karte ein, während Lovely die Ikone sorgsam wieder in ihrem Seehundfell verpackte. Dann überreichte er sie ihr, als würde er die britischen Kronjuwelen anbieten.
» Danke, dass Sie mir die Freude gemacht haben, Mrs. Carpenter.«
Zoe lächelte und war ein wenig traurig, weil sie den Mann mochte und ihn doch in gewisser Weise betrogen hatte, indem sie sich als eine andere Person ausgab.
» Junge, Junge, das ist ja unglaublich«, sagte Zoe, als sich die Tür des Air de la Russie unter Glockengebimmel hinter ihnen geschlossen hatte. Sie war total aufgekratzt.
» Der See ist ein realer Ort, Ry, irgendwo in Sibirien. 16. Jahrhundert, o Mann. Wenn man sich vorstellt, dass es vor dieser langen Zeit eine Hüterin gab, die genauso aussah wie ich. Ich habe das Gefühl, wir kommen endlich weiter.«
Sie machten sich auf den Weg zurück zu dem Café, wo sie gefrühstückt hatten. » Außerdem haben wir den Namen von jemandem, der vielleicht mehr weiß. Ich hoffe, Ungarisch ist eine von Ihren vielen Sprachen.«
Ry grinste breit und ratterte mit etwas los, das sich für Zoe wie das Trällern eines Zaunkönigs anhörte.
» Na, hoffentlich war es wenigstens höflich…«
Sie unterbrach sich abrupt, schob sich nahe an ihn heran, als wollte sie ihn küssen, und flüsterte ihm ins Ohr: » Drüben beim Zeitungskiosk an der Ecke.«
Er drehte den Kopf ein wenig, sodass er die Zeitungsständer aus dem Augenwinkel sehen konnte. » Ach du Scheiße«, sagte er. » Das ist schlecht.«
Yasmine Poole hatte ihre Drohung wahr gemacht. Auf sämtlichen Zeitungen rings um den Kiosk prangten ihre Gesichter unter dem Balken TERRORISTES . Sie hatten Zoes kalifornischen Führerschein und Rys Foto aus dem DEA -Ausweis benutzt.
Eine Art Ahnung ließ Zoe in diesem Moment den Kopf zurück zum Air de la Russie drehen. Sie sah, wie Anthony Lovely mit einer Hand nach seinem Kaffee griff, während er mit der anderen die Zeitung aufschüttelte. Der Kaffeebecher verharrte mitten in der Luft, während er den Kopf in Richtung Fenster riss.
» Wirklich schlecht, Ry. Lovely hat uns gerade erkannt.«
» Ich weiß, Sie haben Angst«, sagte Ry mit ruhiger Stimme, » aber nicht weit von hier ist ein Metro-Eingang. Dort gehen wir hin, als wäre alles in schönster Ordnung, es sei denn, jemand fängt zu schreien an. Dann rennen wir wie der Teufel.«
36
Zoe erwartete halbwegs, dass Anthony Lovely aus seinem Laden gelaufen kam und schrie: » Halt, Terroristen!« Aber er tat es nicht.
Sie schafften es ohne jede Störung bis zu der Metro-Station. Ry kaufte in einem
Weitere Kostenlose Bücher