Altar der Ewigkeit: Thriller (German Edition)
Könnte es wahr sein?«, fragte Zoe. » Ich meine, wäre es aus Sicht der Wissenschaft möglich?«
» Theoretisch vielleicht. Aber angesichts der Komplexität des Alterungsprozesses ist es höchst unwahrscheinlich. Die genetischen Faktoren, der Lebensstil, die Hunderte, vielleicht Tausende von individuellen Faktoren in unseren Zellen und unseren Organen, die unsere Langlebigkeit beeinflussen.«
Dr. Nikitin schüttelte die Ampulle leicht, und Zoe hätte schwören können, dass das schillernde rote Leuchten heller wurde.
» Wegen ihrer fluoreszierenden Eigenschaft ist es verständlich, dass ein primitives Volk der Flüssigkeit besondere Kräfte zuschrieb«, fuhr Dr. Nikitin fort. » Vielleicht hat ein Medizinmann oder Heiler sie eines Tages mit ein paar Kräutern gemischt, und der Patient ist genesen. Und schon war die Legende geboren.«
» Aber Sie werden sie auf jeden Fall für uns analysieren?«, fragte Zoe.
» Ich könnte sie analysieren, sicherlich, aber mein Fachgebiet ist die Entwicklungsbiologie. Wen sie wirklich einen Blick darauf werfen lassen sollten, ist ein Biochemiker. Ich kenne eine Frau am Institut für Bioregulation und Gerontologie, die Experimente mit den Langlebigkeitsgenen bei Caenorhabditis elegans durchgeführt hat– Fadenwürmern also. Das sind nahezu durchsichtige kleine Dinger, man sieht ihr Herz und andere Innereien deutlich in einem Mikroskop. Sie gehören wegen ihrer simplen Anatomie, und weil sie eine minimale Anzahl von Genen haben, zu Olgas Lieblingen. Ich würde sie gern in unsere Entdeckung einweihen, wenn ich darf. Ihr Sachverstand wäre unschätzbar.«
Ry schüttelte den Kopf. » Ich weiß nicht… Wie sehr vertrauen Sie ihr?«
Die Frage schien Nikitin zu überraschen. » Wir gehen gelegentlich miteinander ins Bett. Aber wieso… ah«, unterbrach er sich, um seine Frage selbst zu beantworten. » Sie müssen diskret sein, weil Gefahr damit verbunden ist. Denn wenn jemand wirklich daran glaubte, dass so etwas wie ein Jungbrunnen existiert, würde er vielleicht töten, um ihn in seinen Besitz zu bringen.«
» Dieser Jemand hat bereits getötet«, sagte Ry.
Nikitin sah Ry lange an, dann nickte er. » Ich kann mit der U-Bahn nach Hause fahren. Vielleicht werden Sie einen Wagen brauchen, während Sie hier sind.«
Nikitin steckte die Ampulle in die Tasche seines Pelzmantels, aber er machte keine Anstalten, aus dem Lada zu steigen. » Mir ist gerade ein Gedanke gekommen«, sagte er nach einer Weile. » Falls so etwas wie ein Jungbrunnen tatsächlich existierte, könnte es furchtbare Folgen haben, ihn auf die Erde loszulassen. Überbevölkerung, Kriege, Hunger…« Er schauderte. » Wie oft hat die Menschheit ihr Heil schon in etwas gesehen, das sich später als Mittel zu ihrer Zerstörung herausstellte?«
Er sah Ry wieder an, und Traurigkeit legte sich auf sein Gesicht. » Haben Sie meinen Sohn gesehen, als Sie in dem Nachtklub waren?«
» Nur kurz. Es gab keine Gelegenheit zu einem Gespräch.«
» Aber er sah gut aus?«
» Ja. Sehr gut.«
» Seine Musik– auch sie ist wohl nicht nach meinem Geschmack, denn ich muss gestehen, mir tun die Ohren weh davon. Und doch hat sie ihn reich und berühmt gemacht. Er kann alles haben, was er will…«
Nikitin wandte den Blick ab und sah in die kalte und dunkle russische Nacht hinaus. » Aber an diesem Ort, an dem Sie ihn gefunden haben, aus dem Sie ihn befreit haben– dort hat sich eine Furcht in seine Seele gefressen wie Säure in einen Stein. Wird er jemals davon genesen? Das ist die Frage, die ich mir stelle und auf die ich keine Antwort finde.«
46
Das schmiedeeiserne Geländer der Pewchesky-Brücke warf spitze Schatten auf das Eis auf dem Fluss, als Ry am Straßenrand hielt und die Zündung abstellte. Der Motor des Ladas spuckte aus Trotz noch ein paar Sekunden weiter, ehe er abstarb.
» Du hast hier früher schon gewohnt?«, fragte Zoe, als sie aus dem Wagen stieg. Sie sah an dem hohen, eleganten Gebäude hinauf. » Bei Sascha?«
Ry schüttelte den Kopf. » Saschas Freundin wohnt hier. Sie hat es von ihrem Großvater geerbt, der zu seiner Zeit ein hoher Apparatschik in der Kommunistischen Partei war.«
Er legte ihr den Arm um die Taille und zog sie an sich. Sie sah zu ihm hinauf, und weiche, fedrige Schneeflocken fielen aus dem Nachthimmel auf ihre Augen und den offenen, lächelnden Mund.
» Ich habe gehört«, sagte Ry, » dass das Bett aus einem der Paläste von Zar Nikolaus stammt.«
Sie fielen auf das Himmelbett, ohne
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