Altar der Ewigkeit: Thriller (German Edition)
sechzehn gewesen war, als ihr Vater sich da drin an den Schreibtisch ihrer Mutter gesetzt, sich eine Waffe unters Kinn gehalten und abgedrückt hatte.
Zoe war an diesem Tag die einzige Person im Haus gewesen, die einzige, die den Schuss gehört hatte. Diejenige, die das Blut in den elfenbeinfarbenen Perserteppich und den Teakholzboden sickern sah und in die Reste des Gesichts blickte, das einmal ihrem Vater gehört hatte.
Zoe riss die Tür mit so viel Schwung auf, dass sie gegen die Wand knallte.
Ihre Mutter schaute von einem Laptop auf, während ihre rechte Hand unter die schwarze Marmorplatte des Schreibtischs ging, wo sie eine 22er Glock aufbewahrte. Anna Larina Dmitroff hatte sich nicht durch Sorglosigkeit an die Spitze einer russischen Mafiya- Familie gekämpft und gemordet.
» Zoe«, sagte sie, und Zoe war überrascht, echten Schock und echte Sorge über ihr Gesicht huschen zu sehen. » Was tust du denn hier? Ist etwas passiert?«
» Wieso? Würde es dich interessieren, wenn es so wäre?«
» Sei nicht albern. Natürlich würde es mich interessieren.« Anna Larina, die halb aufgestanden war, ließ sich wieder hinter dem Schreibtisch nieder. » Du siehst ein bisschen gehetzt und feucht aus, aber ansonsten gut. Ganz erwachsen.« Sie musterte ihre Tochter jetzt mit kühlem, gleichgültigem Blick. » Aber da ich in all diesen Jahren noch nicht einmal eine Weihnachtskarte von dir bekommen habe, konnte ich nur annehmen, dass dich irgendein schlimmes Ereignis hergeführt hat.«
Zoe musste die Zähne zusammenbeißen, um nicht loszuschreien. Gott, wie sie diese helle, trockene Stimme immer gehasst hatte, die so mühelos spotten und verletzen konnte. Dreizehn Jahre, und nichts hatte sich verändert. Ein Blick in dieses schöne, aber seelenlose Gesicht, und all die alten, schlechten Gefühle stürzten wieder über sie herein und mischten sich wie Gift in ihr Blut.
Sie musste sich zusammennehmen, ihre Emotionen in Schach halten. Sie wusste aus bitterer Erfahrung, dass man nicht einen Funken Gefühl gegenüber Anna Larina zeigen durfte, weder Liebe noch Hass oder Angst, nicht einmal Wut, denn mit einer Gefühlsregung öffnete man sich, und dann weidete sie einen aus. Schnell und gründlich.
Zoe ging langsam auf die große schwarze Marmorplatte des Schreibtischs zu, um Zeit zu gewinnen. Der Raum war wunderschön, aber kalt, wie die Frau, die ihn besetzte. Er stieß mit seiner Dreiecksform wie ein Schiffsbug in den Himmel und überblickte die Bucht und die Golden Gate Bridge. Die eine Wand, die nicht aus raumhohen Fenstern bestand, säumten teure skandinavische Bücherregale. Sie enthielten einige Bücher, beherbergten aber hauptsächlich die schönsten Stücke der Sammlung russischer Ikonen ihrer Mutter. Als kleines Mädchen hatte Zoe sehr darunter gelitten, dass diese Ikonen ihrer Mutter mehr bedeuteten als sie.
Sie legte das Tatortfoto, das sie Mackey stibitzt hatte, vorsichtig auf den Schreibtisch ihrer Mutter. » Schau dir das an und sag mir, was du siehst.«
Anna Larina legte beide Hände flach neben das Bild und betrachtete es schweigend, während Zoe sie betrachtete. Absolut keine Spur von Wiedererkennen, keine Spur von Schock, keine Spur von irgendwas.
Sie hob den Kopf und sah Zoe in die Augen. » Ich sehe eine alte Frau, die anscheinend tot ist. Sollte ich wissen, wer sie ist?«
» Ach komm, bitte. Willst du mir wirklich weismachen, dass du deine eigene Mutter nicht erkennst?«
Es war ein vorsätzlich geführter Schlag, und ein harter. Mit einem Ruck ging der Kopf ihrer Mutter zu dem Foto zurück. Ihre immer noch flach auf dem Tisch liegenden Hände wurden weiß an den Knöcheln. Aber von dieser kleinen Reaktion abgesehen konnte man nach wie vor unmöglich feststellen, was sie dachte oder empfand.
Zoe wusste, ihre Mutter konnte jederzeit einem ihrer Schläger, ihrer Vors befehlen, jemanden umzulegen, es kostete sie nicht mehr Mühe, als eine Kanne Tee zu bestellen, aber sie glaubte nicht, dass ihre Mutter für diese Sache verantwortlich war, und sei es nur, weil sie schlampig ausgeführt war, und das kam bei Anna Larina nicht vor. Aber Zoe hatte sie erschüttern wollen, und das war ihr gelungen.
Sie nahm das silbern gerahmte Bild auf dem Schreibtisch zur Hand– die vergrößerte Version dessen, das Mackey ihr gezeigt hatte– und legte es neben das Tatortfoto. » Siehst du die Ähnlichkeit jetzt? Sie hat unsere Augen. Oder vielmehr, wir haben ihre.«
» Nein, ich…« Anna Larina sprach nicht
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