Altar der Ewigkeit: Thriller (German Edition)
arme alte Frau allein und verängstigt gestorben war.
» Nein, ich glaube nicht, dass ich sie kenne. Sollte ich? Was ist ihr zugestoßen?«
» Sie ist eine Obdachlose, die letzte Nacht im Golden Gate Park erstochen wurde. Am Kennedy Drive, in der Nähe des Conservatory of Flowers. Die Mordwaffe steckte noch in ihr– eine merkwürdige Sorte Messer, wie ich noch keins gesehen habe. Irgend so ein Typ und sein Freund gondelten gerade in einem neuen Jaguar durch die Gegend und störten den Mörder bei der Tat. Sie starb, bevor der Rettungswagen da war, und das war sicher hart für den Mann, aber jetzt schwafelt er in den Medien pausenlos davon, dass arme, alte, obdachlose Frauen auf den Straßen unserer Stadt abgestochen werden. Über das Rathaus bricht ein wahrer Sturm der Entrüstung herein.«
Zoe sah sich das Tatortfoto noch einmal an, angezogen von diesen toten, starren Augen, und ein Gefühl von Trauer und Verlust überflutete sie. Es ergab keinen Sinn. Sie kannte diese Frau nicht, aber es fühlte sich an, als sollte sie sie kennen. Es lag an ihren Augen. Etwas an ihren Augen…
» Wissen Sie…« Zoes Stimme brach, und sie musste von vorn anfangen. » Wissen Sie schon, wer sie ist?«
» Nicht genau«, sagte Mackey. » Wir haben den Park abgegrast und eine Transe namens Buttercup gefunden, die immer im Panhandle unterwegs ist und behauptet, sie beide hätten zu einer Kolonie gehört, die im Gehölz hinter dem Conservatory kampiert. Er… sie… sagte, die alte Frau würde Rosie noch was heißen.«
Zoe riss sich von den Augen auf dem Foto los. Sie sah zu Mackey auf und ertappte ihn dabei, wie er sie besorgt, aber auch mit dem argwöhnischen Blick eines Polizisten betrachtete.
» Es tut mir leid, Mack, aber ich kenne sie einfach nicht. Wie sind Sie denn darauf gekommen, ich könnte sie kennen?«
Er langte in die Tasche und zog eine durchsichtige Beweismittelhülle heraus. » Der ärztliche Leichenbeschauer hat das hier gefunden, es steckte weit hinten in ihrer Kehle. Als hätte sie möglicherweise versucht, es zu schlucken, damit es dem Täter nicht in die Hände fiel. Es ist ziemlich übel zerkaut, aber diese Laborleute vollbringen heutzutage wahre Wunder.«
Die Hülle enthielt ein zerfetztes Stück Papier, auf das mit Kugelschreiber etwas gekritzelt war. Man hatte die Schrift chemisch verstärkt, aber selbst dann war nur ein Teil lesbar. Zoe konnte allerdings genug entziffern, damit es ihr kalt über den Rücken lief.
» Das ist meine Adresse. Nicht mein Büro, meine Privatadresse.«
Sie sah zu Mackey hinauf, der einen Polizistenblick mit Wendy Lee wechselte, ehe er sich räusperte. » Haben Sie jemals von etwas gehört, das sich ›Knochenaltar‹ nennt?«
» Nein, aber es klingt eigenartig. Was ist es?«
Er antwortete in typischer Polizistenmanier nicht. Stattdessen zog er eine weitere Beweismittelhülle hervor und gab sie ihr. » Dieses Foto steckte im Mantel der alten Dame. Der Mode und den Frisuren nach dürfte es Ende der Fünfzigerjahre aufgenommen worden sein. Ist Ihnen eine der beiden Personen darauf bekannt?«
Zoe schaute auf das Bild, und ihr Mund wurde trocken. Das war doch nicht möglich, es war schlicht nicht möglich.
Es war eine Schwarz-Weiß-Aufnahme von einer hübschen blonden Frau in den Zwanzigern, die den Arm um die Schulter eines Mädchens von etwa sechs Jahren gelegt hatte. Das Mädchen trug Zöpfe und eine kirchliche Schuluniform und lächelte strahlend in die Kamera. Sie standen vor dem Eingang zu den Twentieth-Century-Fox-Studios. Zoe wusste, dass es die Twentieth-Century-Fox-Studios waren, weil ihre Mutter genau dasselbe Bild, oder vielmehr eine größere Version davon, in einem kunstvollen Silberrahmen auf dem Schreibtisch in ihrer Bibliothek stehen hatte.
» Aber ich… Das ergibt keinen Sinn. Woher hat sie das?«
» Sie haben das Bild also schon einmal gesehen? Oder die Leute darauf? Sie haben sie schon einmal gesehen?«
Aber Zoe hörte ihn gar nicht richtig, sie starrte auf die verknitterten Ecken des Bilds, sah, wie es im Lauf der Jahre verblasst war. Irgendwann war etwas darübergeschüttet worden– Kaffee? Blut?– und hatte einen Fleck in den Himmel über dem Studioschild gemacht. Aber es war eben auch im Besitz einer Obdachlosen gewesen, die ermordet wurde, und hatte nicht hübsch gerahmt auf einem Schreibtisch gestanden.
Es fing wieder zu regnen an, dicke Tropfen, die auf die Plastikhülle spritzten. Wendy Lee trat neben Zoe. » Unser Opfer hat unter rauen
Weitere Kostenlose Bücher