Altar der Ewigkeit: Thriller (German Edition)
an diesem Ort, vor dem Wandteppich auf der Postkarte, fühlte sich Zoe auf einer tieferen Ebene mit Katja Orlowa verbunden. Verbunden auch mit jenen auf der Karte genannten Frauen durch die Generationen zurück bis zur ersten Hüterin. Ihre Großmutter hatte geschrieben, zwischen ihnen bestünden Blutsbande, und Zoe verpfuschte alles, sie enttäuschte diese Frauen.
Schau zur Madonna, denn ihr Herz bewahrt das Geheimnis, und der Pfad zu dem Geheimnis ist endlos.
Die Frauen unserer Familie sind schon so lange die Hüterinnen des Knochenaltars, dass sich der Beginn davon im Nebel der Zeit verliert.
Deshalb muss der Knochenaltar Dein Vermächtnis sein.
Aber sie war so dumm, sie kam nicht dahinter, was das verdammte Ding überhaupt war, geschweige denn, wie sie es » hüten« sollte.
Zoe blickte ein letztes Mal auf Á mon seul désir, auf die Dame, die ihr Halsband in die Schatulle legte.
Im Museumsführer stand, dies bedeute, die Dame habe den Leidenschaften entsagt, die von den anderen Sinnen angefacht worden seien. Nachdem Zoe vier Stunden lang auf das Gesicht der Dame geschaut hatte, war sie davon allerdings nicht so überzeugt. Leidenschaft war Leben, und das war das Gesicht einer Frau, die das Leben willkommen hieß, nicht ihm entsagte. Und wenn man die Reise durch die Welt der Sinne mit diesem Bild begann, dann konnte die Dame das Halsband aus der Schatulle nehmen, statt es hineinzulegen. Vielleicht, dachte Zoe, völlig fertig und abgestumpft vom Jetlag und der langen Zeit im Museum, sollte sie einen Artikel über diese Einsicht schreiben und an ein Kunstmagazin schicken. Sie konnte ihn mit » Die Dame ist Hedonistin« betiteln, und zur Stützung ihrer These konnte sie auf den Gesichtsausdruck des Einhorns verweisen, ein selbstzufriedenes Lächeln, wie es im Buche stand, als hätte man ihm gerade einen Eimer besonders köstlichen Hafer hingestellt. Und dann war da der Löwe– ein sonderbar aussehendes Tier, aber kein Greif, den Mund zu einem mächtigen Brüllen aufgerissen. Oder war es ein herzhaftes Lachen?
» Also gut, raus mit der Sprache«, sagte Zoe laut zu den Figuren auf dem Bild, denn außer ihr war niemand im Raum. » Was ist dieser Knochenaltar und wo finde ich ihn?«
Der Löwe lachte, das Einhorn lächelte, aber die Dame hatte nur Augen für ihren Schmuck.
Zoe verließ das Museum und trat in einen Strudel voller Lichter, Lärm und Leute. Es war dunkel, ein kaltes Nieseln hing in der Luft, machte den Gehsteig feucht und legte Ringe um die Laternen. Sie wandte das Gesicht zum Himmel und ließ den Regen über ihr Gesicht spülen. Es half nicht.
Ihr war nach Weinen zumute und nach Fluchen, beides gleichzeitig. Da stand sie nun in denselben Sachen, die sie vor wer weiß wie vielen Stunden in San Francisco angezogen hatte, so müde, dass sich ihre Beine nur noch mechanisch bewegten. Sie brauchte ein Hotelzimmer und vielleicht etwas zu essen, nur sie war zu müde, um zu essen.
Sie wusste nicht einmal, wo sie überhaupt war. Den Taxifahrer am Flughafen hatte sie angewiesen, sie am Musée de Cluny abzusetzen, und an alles danach erinnerte sie sich nur verschwommen. Sie suchte nach einem Straßenschild und fand schließlich eines, das in die Wand eines cremefarbenen Wohnhauses mit grauem Gaubendach eingebettet war– Boulevard Saint-Michel.
Was eine hilfreiche Information gewesen wäre, hätte sie eine Karte gehabt und gewusst, wo sie überhaupt als Nächstes hinwollte.
Sie drehte sich um und wäre beinahe in einen Inlineskater mit lila Haarspitzen gerannt, der sie nicht einmal bemerkte, als er an ihr vorbeizischte. Die Straße war verstopft– Motorräder, jedes mit einem Loch im Auspuff, und all diese kleinen europäischen Autos, die ohne Grund hupten und lächerlich aussahen, und so viele Stimmen, die nur Französisch sprachen. Sie verstand nicht ein Wort, und es war ihr auch egal.
Der Wandteppich. Sie hatte sich mit jeder Gehirnzelle darauf konzentriert– ohne Ergebnis. Eigentlich war sie nicht gerade dumm, und das hieß, da war nichts zu verstehen gewesen.
Also lass es für den Augenblick los. Lass es los.
So viele französische Stimmen, die meisten glücklich, die meisten jung, und hätte sie eine Waffe gehabt, sie hätte den ganzen Haufen erschossen. Ihr Kopf tat so weh, dass er explodieren würde, wenn sie nicht bald ein paar Aspirin bekam. Sie hielt nach einer Apotheke Ausschau und sah nur Bistros, Cafés und Restaurants.
Zoe durchforstete ihr beschränktes Schulfranzösisch nach dem
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