Altar der Ewigkeit: Thriller (German Edition)
Mann hauchte ein » Non«, hob die Schultern und spreizte die Hände.
Auf einen Impuls hin fragte ihn Zoe, ob er Russisch sprach.
Der Mann strahlte und sagte in wunderbarem Russisch: » Woher wussten Sie das bloß? Ich lebe schon so lange hier, dass ich ebenso gut Franzose sein könnte… oder besser, Pariser, das ist ein Unterschied. Aber ich bin zehn Jahre nach der bolschewistischen Revolution zur Welt gekommen.« Er drehte den Kopf zur Seite und spuckte aus. » In der Hütte eines Rentierzüchters in der gefrorenen Tundra, nicht weit von dem Ort, der heute Norilsk heißt. Sie werden noch nie davon gehört haben, und dafür können Sie sich glücklich schätzen.«
Zoe bewahrte einen ungezwungenen Tonfall, aber sie wandte den Blick nicht vom Gesicht des alten Mannes. Er hatte die dunkelsten Augen, die sie je gesehen hatte. Mehr als schwarz, beinahe undurchdringlich.
» Tatsächlich habe ich davon gehört, Monsieur. Meine Urgroßmutter wurde… nun ja, sie kam vielleicht nicht selbst dort zur Welt. Ich weiß eigentlich sehr wenig über sie. Nur dass sie in den Dreißigerjahren aus einem sibirischen Straflager namens Norilsk geflohen ist. Ihr Name war Lena Orlowa, und sie hatte eine Tochter namens Katja. Vielleicht kennen Sie die Familie?«
Der alte Mann lächelte unverwandt weiter, aber Zoe glaubte, einen Funken Licht in diesen dunklen Augen aufblitzen zu sehen. » Auf was für einem kleinen Planeten wir doch leben. Ich habe einen Neffen, der in einer Bank in Chicago arbeitet.«
Zoe lachte. » Ich bin aus San Francisco, aber ich verstehe, was Sie sagen wollen.« Sie gestikulierte in Richtung eines besonders vollgestopften Regals, das unter einem russischen Motto zu stehen schien. » Ich habe mir aber überlegt… Seit ich die Geschichte meiner Urgroßmutter gehört habe, wollte ich nach Norilsk reisen. Meinen Wurzeln nachspüren, wie wir Amerikaner gern sagen. Haben Sie irgendwelche Artefakte, Antiquitäten oder was immer aus dieser Region, die ich mir ansehen könnte? Vielleicht auch kaufen?«
» Sie wollen nicht nach Norilsk reisen, glauben Sie mir. Der Ort ist die gefrorene Achselhöhle des Universums, egal zu welcher Jahreszeit. Oder wenn Sie dieses Beiwort für Mütterchen Russland selbst reservieren wollen, dann ist Norilsk ein eitergefüllter Pickel in der gefrorenen Achselhöhle des Universums.
So«, fügte er an, ehe Zoe auch nur ein Wort einflechten konnte. » Bedauerlicherweise habe ich im Moment nichts aus Sibirien. Nicht einmal ein Halsband aus Wolfszähnen, die verbreiteter sind, als man glauben möchte. Kann ich Ihnen andere Sachen zeigen? Eine Uhr vielleicht? Ich habe viele Uhren. Kuckucksuhren, Standuhren, Turmuhren, Pendeluhren, Schiffsuhren– und alle zeigen sie einwandfrei die Zeit an.« Er zog eine Taschenuhr hervor und klappte den Deckel auf. » Wenn Sie einundzwanzig Minuten und sechzehn Sekunden warten wollen, dann können Sie sie alle simultan die Stunde schlagen hören. Es ist die reinste Symphonie, glauben Sie mir. Bleiben Sie, hören Sie, Ihre Ohren werden es Ihnen danken.«
» Ihre Uhren sind wunderschön.« Zoe zog die silberne Kette unter ihrem Rollkragenpullover hervor und über den Kopf. » Aber ich habe mich gefragt, ob Sie vielleicht etwas in Ihrem Laden haben, das sich mit diesem Schlüssel öffnen lässt.«
Der alte Mann wurde sehr still. Er hob die Hand ein Stück, um den Schlüssel zu berühren, ließ sie dann aber wieder sinken. Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, als er sagte: » Wenn Sie das haben, dann ist Katja Orlowa tot.«
» Sie kannten also meine Großmutter?«
» Ich kannte sie beide, Lena Orlowa und ihre Tochter Katja. Ihr Tod, war er friedvoll?«
Zoe schnürte es die Kehle zu, deshalb brach es härter aus ihr heraus, als sie beabsichtigt hatte. » Sie wurde ermordet.«
» Oh.« Er senkte den Kopf und schloss die Augen. » Es hört nie auf.«
» Waren Sie sehr eng befreundet?«
» Katja und ich? Nein, nicht in diesem Sinne. Aber ich warte seit vielen Jahren darauf, dass sie wieder durch diese Tür kommt. Oder diejenige, die ihr nachfolgt.«
Zoe hatte so viele Fragen, dass sie nicht wusste, wo sie beginnen sollte. » Verzeihen Sie, ich hätte mich vorstellen sollen. Ich bin Zoe. Zoe Dmitroff.«
Sie streckte die Hand aus, und der alte Mann verbeugte sich auf altmodische Weise. » Und ich bin Boris. Ein guter russischer Name, nicht wahr?«
Er hielt ihre Hand fest und trat näher an sie heran. » Ja, es ist immer noch, wie es sein soll. Eine
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