Altar der Ewigkeit: Thriller (German Edition)
nur diesen einen Raum, mit einem winzigen Badezimmer zwischen dem Fenster und der Kommode. Ein Mikrowellenherd und eine Espressomaschine ersetzten eine Küche.
Sergei hatte sich nicht die Mühe gemacht, auf ihre gehässige Bemerkung zu reagieren. Er blieb mit dem Rücken zu ihr stehen, den Blick auf die Straße gerichtet, als wartete er auf jemanden.
Das Telefon läutete.
Er durchquerte rasch das Zimmer und riss den Hörer beim zweiten Läuten von dem Apparat. Er führte eine Unterhaltung in schnellem Französisch. Zoe verstand nicht ein Wort.
Er legte auf und kam direkt auf sie zu. Ihre Blicke begegneten sich, und sie fühlte Angst in sich aufsteigen.
Er griff in seine Manteltasche und beugte sich über sie, und sie machte sich auf einen weiteren Schuss aus der Betäubungspistole gefasst. Stattdessen holte er ein Paar Handschellen hervor und schloss ein Ende um ihr rechtes Handgelenk und das andere um ein Messingrohr vom Kopfteil des Betts.
» Herrgott, jetzt mach aber mal einen Punkt!«
Er überraschte sie, indem er laut auflachte.
Dann ging er.
Zoe belegte ihn mit jedem Schimpfnamen, den sie kannte, während sie an den Handschellen zerrte und drehte, aber die Dinger waren echt und sprangen nicht auf, egal, was sie unternahm. Sie überlegte, ob sie ihre Hand vielleicht zusammendrücken und diese herausschlüpfen könnte, aber sie war nicht feingliedrig genug. Sie versuchte, das Messingrohr von der Querstange des Kopfteils zu lösen, aber es war festgeschweißt.
Der Teufel soll den Kerl holen.
Sie musste hier raus, bevor er zurückkam. Sie war jetzt die Hüterin, und auch wenn sie noch immer nicht wusste, was das alles bedeutete, ging sie davon aus, dass sie zumindest alles, was sich in der Schatulle befunden hatte, vor Männern wie Sergei behüten sollte. War der Film der Knochenaltar? Nein, was für ein dummer Gedanke. Ihre Großmutter hatte gesagt, die Frauen ihrer Familie seien schon so lange Hüterinnen, dass sich der Beginn der ganzen Sache im Nebel der Zeit verlor. Doch der Film war erst Anfang der Sechzigerjahre entstanden.
Zoe starrte an die Decke und versuchte, trotz der pochenden Kopfschmerzen zu denken. Eine Wolke zog vor die Sonne, und es wurde dunkler im Raum. Sie schaute zu der Lampe auf dem Nachttisch. Ihr Schirm bestand aus Hunderten von roten Glasperlen, die auf Drähte gezogen waren.
Sie konnte die Lampe mit der freien Hand nicht erreichen, und die silberne Uhr daneben tickte wie ein Unheil verkündendes Metronom. Sie bezweifelte, dass Sergei lange wegbleiben würde, er konnte jeden Moment wieder durch diese Tür kommen, und dann würde sie keine Möglichkeit zur Flucht mehr erhalten.
Sie strampelte die schweren Decken von sich, schwang die Beine seitlich und klemmte die Lampe zwischen den Füßen ein. Die Lampe schwankte und wäre fast auf den Boden gefallen, aber im letzten Augenblick konnte Zoe sie noch mit den Zehen angeln.
Sie zog sie aufs Bett, in Reichweite ihrer freien Hand. Es war schwerer, die Perlen von den Drähten zu streifen, als sie gedacht hatte. Am Ende benutzte sie die Zähne.
Sie legte sechs Drähte frei und flocht sie ineinander, bis sie etwa eine Stärke von drei Millimetern hatten. Sie hätte ihr Werkzeug gern noch dicker gemacht, aber sie musste sich beeilen.
Sie mühte sich mit einer Hand an dem Schloss ab, drehte, stocherte, wackelte… es würde nicht funktionieren, und die verdammte Uhr tickte jetzt lauter als eine Trommel, lauter als das verdammte Hämmern in ihrem Kopf…
Das Schloss an den Handschellen sprang mit einem leisen Klicken auf.
Schnell, schnell, schnell … Sie sprang vom Bett, und der Boden kippte unter ihren Füßen. Ihre Muskeln fühlten sich so weich an wie zu lange gekochte Spaghetti, ihr Schädel pochte.
Sie raffte den Film zusammen und stopfte ihn in ihre Tasche. Die Ikone und die Postkarte mit dem Rätsel waren noch da, in den Seehundfellbeutel gewickelt, aber merkwürdigerweise fehlte das Foto mit Marilyn Monroe. Sie schaute nach Geld, Pass, Kreditkarten– alles noch da.
Sie wollte eben aus der Wohnung stürzen, als ihr plötzlich zu Bewusstsein kam, dass sie nichts anhatte außer BH und Höschen. Die ganze Zeit über bin ich halb nackt gewesen, dachte sie und lachte laut auf, und ich habe es nicht einmal bemerkt.
Sie fand ihre Lederjacke, die Stiefel und Socken vor dem Heizkörper, die Jeans und der Pullover hingen an der Handtuchstange im Bad. Sie waren feucht, kalt und rochen nach dem Fluss, und Zoe schauderte, als sie die
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