Alte Narben - [Kriminalroman aus der Eifel]
sagt der Polizei bitte nichts von Kalle und dass er hier ist. Mehr nicht.«
»Mein Junge, die kennen dich wohl zu gut, nicht wahr?«, fragte Gustav.
Kalle grinste. »Kann schon sein. Ihr braucht nicht zu lügen. Nennt einfach nur meinen Namen nicht.«
»Nun ja, es wird wohl niemand nach dir fragen«, meinte Lorenz.
»Dann sind wir uns einig?«, fragte Kalle und stand auf. Er nickte den anderen zu und wandte sich zur Tür. Nihil und Anna folgten ihm. Die drei verließen den Raum und schlossen die Tür hinter sich.
Die anderen blieben noch einige Momente stumm sitzen. Dann meinte Bärbel: »Ich habe ein ganz schlechtes Gefühl bei dieser Sache. Ob dieser junge Mann weiß, was er da tut?«
Lorenz nickte. »Das weiß er genau, da bin ich mir sicher. Und das ist ja gerade das Schlimme.«
33. Kapitel
Paul schloss leise die Tür zum Kinderzimmer.
»Und, schläft die Kleine?«, fragte Rita.
»Die Augen fielen ihr zu, kaum dass sie im Bett lag«, grinste Paul. »Das war ein anstrengender Tag auf der Ordensburg. Und sie hat tapfer durchgehalten, sich für alles interessiert und eine Menge aufgenommen und sich Notizen gemacht.«
»Das ist erstaunlich für eine Zehnjährige«, meinte Rita. »Sie ist wirklich sehr aufgeweckt und neugierig. In diesem Alter habe ich mich nicht gerade für Geschichte interessiert.«
»Vielleicht haben die Erwachsenen den Kindern auch nicht so viel geboten wie heute. Wenn ich mir zum Beispiel anschaue, wie die Burg Vogelsang heute aufbereitet ist.«
Rita lachte. »Dafür hatte ich meinen Opa Bertold. Der kroch am Wochenende durch das Rurtal und suchte Hinweise auf antike Schlachtfelder, wo angeblich hiesige Stämme ganze römische Legionen vernichtet haben sollen, oder er grub nach Steinäxten oder kramte in Kirchenarchiven. Das fand ich lustig, aber die Ernsthaftigkeit, mit der die kleine Jessica die Geschichte angeht, ist etwas anderes.«
»Vielleicht habe ich ja Glück und sie wird keine Polizistin«, sagte Paul und setzte sich zu Rita. Er legte einen Arm um ihre Schultern und sah auf den Tisch. Dort lagen Fotos, Vernehmungsprotokolle und Notizen verstreut. Paul sah auf einen Blick, dass in dem scheinbaren Durcheinander ein System lag. Rita versuchte, Beziehungen zwischen ermittelten Fakten herzustellen.
»Ich habe heute eine Menge erfahren«, sagte Rita.
»Ich auch«, entgegnete Paul.
»Okay, du zuerst.«
Paul begann zu erzählen. »Ich habe auf Vogelsang den Typen wiedergetroffen, der in dem Kampf um Jakob Kratz am Freitag einen Messerstich in den Oberarm bekommen hat. Und stell dir vor, der stand zusammen mit einigen Männern, darunter der führende NPD-Politiker Albert Finkel.«
»Das ist interessant«, meinte Rita. »Wenn er weiß, mit wem er da zusammen war, und das ist anzunehmen, dann ist er entweder nicht das, was er behauptet zu sein, oder er spielt ein gewagtes Spiel in den Reihen der Neonazis.«
Paul nickte. »Auf jeden Fall werde ich ihn mir noch mal vornehmen. Ebenso den Stadtrat Drechsler. Von wegen Partei der unabhängigen Bürger Nideggens oder wie der Verein heißt, für den er kandidiert. Mir ist jetzt noch weniger als vorher klar, warum er diese Truppe zum Schutz für den Kratz angeführt hat. Das ist doch alles nicht stimmig.«
»Eine wichtige Spur«, meinte Rita. »Und wir sind heute ein gutes Stück vorangekommen, was den Tod von Bruno Gerster und Kellermann betrifft. Gerster ist definitiv mehrere Stunden früher gestorben als Kellermann.«
»Das ist ja ein Ding«, meinte Paul. »Dann kann er ihn also gar nicht erschossen haben!«
»Auf keinen Fall«, bestätigte Rita. »Zwar wurde Kellermann mit Gersters Waffe erschossen, und es waren keine anderen Fingerabdrücke auf der Pistole als die von Gerster, aber das ist eindeutig fingiert. In Kellermanns Gesicht wurden sehr feine Schmauchspuren gefunden, weiterhin Spuren eines Klebers, wie er für Paketklebeband verwendet wird, an seinem Mund und an seinen Bartstoppeln befand sich ein Abrieb von Textilfasern, die vermutlich von einer Decke stammen. Was sagt dir das?«
Paul dachte angestrengt nach. »Das hört sich fast so an, als sei er regelrecht hingerichtet worden«, meinte er dann. »Klebeband auf den Mund, dann hält man ihm eine Decke vors Gesicht und schießt ihm aus nächster Nähe in den Kopf.«
»Sehr gut«, lobte Rita. »Das ist genau die Rekonstruktion der Forensik. Was ist also in Kellermanns Haus geschehen?«
»Gerster fährt abends beim Kellermann vorbei, spricht mit ihm. Die beiden werden
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