ALTEA (Sturmflut) (German Edition)
Betrogenen seid, so wie jetzt auch?“
Ich bekam dieses merkwürdige Gefühl als wären unsere Rollen plötzlich vertauscht. Nun war ich es, die mit der vermeintlichen Stimme der Vernunft sprach und Radu der, der an einen irrwitzigen Plan glaubte. Ich erwartete eine hitzige Antwort, doch Radu sagte lange nichts.
„Ich weiß.“ Er wirkte frustriert, seine Stimme wurde tief. „Aber es ist unsere Heimat, Milla. Was sollen wir sonst tun? Alle im STEA glauben an unser Ziel. Trotz allem. Wir müssen die Menschen beschützen und irgendwie… irgendwie für Freiheit kämpfen. Ich kann nicht einfach weggehen. Wir haben der russischen Armee geholfen und nun können wir Europa nicht einfach auf dem Präsentierteller liegen lassen.“
„Aber das ist nicht der richtige Weg.“
„Das weiß ich. Leider gibt es keine bessere Lösung. Wir sind uns sicher, dass sie Europa nicht erobern, sondern nur unter Kontrolle haben wollen. Wie viel Kontrolle das sein wird, hängt von unserem Widerstand ab. Vielleicht können wir eine Art von Balance herstellen. Unsere Regierung bleibt intakt, aber die Menschen haben unter der Kontrolle von außen mehr Freiheiten.“
Für mich klang das alles wie der verzweifelte Versuch sich die Realität schön zu reden.
„Für mich passen Kontrolle und Freiheit nicht zusammen.“ Sagte ich leise. Radu ging vor mir in die Hocke. Etwas, was er immer tat, wenn er versuchte mich zu beruhigen oder fürsorglich zu sein.
„Ich verstehe deine Bedenken. Ich habe die Gleichen. Aber ich kann meine Heimat nicht einfach verlassen. Ich habe mich entschieden zu kämpfen und das werde ich bis zum Ende tun, auch wenn es kopflos ist.“
„Ich will nicht, dass dir etwas passiert.“ Flüsterte ich leise und den Tränen wieder viel zu nahe.
„Und ich will nicht, dass dir etwas passiert. Deshalb ist es gut, wenn du mit Aljoscha von hier verschwindest. Am besten so weit weg wie möglich. Du hast schon so viel getan und mehr ertragen müssen, als mir lieb ist. Ich will dich in Sicherheit wissen.“ Ließ er mich mit sanfter Stimme wissen.
„Merkst du nicht, dass du gerade genau das tust, was auch schon mein Vater und deine Mutter getan haben?! Du lässt mich allein!“ Ich wusste, es war nicht fair und ich wusste, ich würde seine Gefühle mit diesen Worten tief treffen, aber meine Verzweiflung war zu groß, um darauf noch Rücksicht zu nehmen. Radu ließ die Schultern fallen und schloss für einen kurzen Moment wieder die Augen.
„Ich lasse dich nicht allein. Aljoscha wird bei dir sein und ich weiß,… auch wenn du das jetzt noch nicht siehst, dass seine Nähe wichtiger ist als meine. Er ist der bessere Beschützer. Ich habe schon zwei Mal versagt und immer war er es, der dich wiedergefunden und beschützt hat.“
„Hör auf ihn als Ausrede zu benutzten!“ Sagte ich wütend.
„Du kannst es ruhig so sehen, aber es ist keine Ausrede. Er beschützt dich aus Motiven heraus, die ich nicht einmal nachfühlen kann.“
Radus Worte verwirrten mich. Mir war bewusst, zwischen den Zeilen wollte er mich etwas wissen lassen und es gefiel mir nicht in welche Richtung dies zu gehen schien.
„Erstens: Woher willst du das wissen? So gut kennst du ihn nicht. Und zweitens: Ich verstehe nicht einmal was du damit meinst.“ Jedes Wort war erfüllt von der Frustration, die ich spürte.
„Ich muss ihn nicht kennen, um das zu wissen. Ich habe Augen im Kopf, Milla. Und tu nicht so, als wenn du mich nicht verstehst. Du weißt genau was ich meine. Aus den gleichen Motiven hast du ihn damals in Schutz genommen, anstatt mir einfach zu glauben und Abstand von ihm zu nehmen.“
„Warum musst du mir das wieder vorhalten?!“ Ich schrie schon beinahe.
„Ich halte dir das nicht vor! Ich versuche nur es dir zu erklären.“ Er machte eine Pause, erhob sich wieder und rieb seinen Nacken. „Familie ist wichtig… sogar sehr, aber wir sind eben keine Kinder mehr. Ich versuche einfach zu akzeptieren, dass jetzt jemand anderes an deiner Seite ist, der für dich sorgt. Und glaub mir, einfach war das nicht. Du weißt ich habe ihm gegenüber… gemischte Gefühle. “
„Aber…“ Ich wusste nicht, was ich weiter sagen sollte. Ich verstand, was er meinte und ich fühlte
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