ALTEA (Sturmflut) (German Edition)
klar.
„Dann ist ihr guter Wille ein Witz.“ Schmetterte ihm Veit entgegen. Seine Stimme blieb ruhig, doch seine Hände waren zu Fäusten geballt. Emil schnaubte nach dieser Bemerkung verächtlich auf.
„ Ich denke, sie verstehen einfach noch nicht, wie solche Dinge funktionieren. Der Staat hat nicht wenig Geld in diese Behausungen investiert und gibt weitere Unsummen aus, um diese Menschen am Leben zu halten und mit allem zu versorgen, was man für ein menschenwürdiges Leben braucht. Diese Leute sind schließlich kein Teil unserer Gesellschaft. Sie arbeiten nicht und können nicht für sich sorgen. Wir tun das.“ Während er sprach, wirkte er völlig ruhig, doch von Mal zu Mal, wurde seine Stimme etwas lauter. Er war aufgebracht und das wurde deutlich, als Veit zu laut lachen begann.
„Mann, ernsthaft! Sie müssen aufhören mit den Witzen. Ich krieg‘ mich ja gar nicht mehr ein!“ Veit stemmte die Hände auf die Knie und beugte sich leicht nach vorne, um seinem Lachen noch Nachdruck zu verleihen. Emils Mundwinkel verzogen sich augenblicklich und ließen seinen Gesichtsausdruck zu einer grimmigen Fratze werden.
„Junger Mann, sie verfehlen wirklich-„
„Was?! Ehrlich, ich will‘s nicht hören! Sie können hier sonst was für Märchen erzählen. Um Himmelswillen, geben sie den Leuten doch einfach Arbeit und ein bisschen Raum zum Leben! Das hier ist ein scheiß Hundezwinger!“ Brüllte Veit frei heraus.
„SCHLUSS JETZT!“ Schrie Emil zornerfüllt. Mit einem tiefen donnern in der Stimme, ließ Emil Veits Lachen verstummen. Alle Blicke waren auf ihn gerichtet, während er schnaufend um Fassung rang. Radu packte Veit am Oberarm und schob ihn ein Stück hinter sich, während er ihm dabei noch einen mahnenden Blick zuwarf, der eindeutig sagte: Halt dich gefälligst zurück. Ich verstand nicht, warum Radu für diese Propaganda eintrat. Ich hatte von ihm erwartet, ebenfalls erschüttert über das alles zu sein. Stattdessen wirkte er völlig gefasst. Emil hatte sich mittlerweile wieder gefangen und rückte seine Jacke zurecht, während er wieder das Wort an uns richtete.
„… Wie ich bereits sagte, ist all diese Hilfe von unserer Seite aus freiwillig und wir zeigen uns schon über alle Maßen großzügig, auch wenn es manchen Leute zu wenig erscheint.“ Die letzten Worte presste er mit sehr viel Nachdruck über seine Lippen und schaute dabei vorwurfsvoll in Veits Richtung. Dieser erwiderte es mit einem aufgesetzten Lächeln, während seine Fäuste immer noch angespannt blieben.
„Wir sollten uns nun ins Tageszentrum begeben. Das ist ein großzügiger Raum, in dem die Leute ihre Freizeit verbringen können und die Gelegenheit haben, auf andere Menschen zu treffen.“
Emil marschierte voraus während wir, eingekeilt zwischen vier bewaffneten Soldaten, mehr oder weniger zum Folgen gezwungen wurden.
Das Tageszentrum war nicht mehr als ein großer Saal ohne Fenster, in den man ein paar Tische und Stühle gestellt hatte. Eine lange Teke in einer Ecke des Saals bot die Möglichkeit für eine Bar oder einen kleinen Verkaufsstand, doch sie wurde nicht genutzt. Auch hier standen Männer in Uniform und behielten alles mit versteinertem Blick im Auge. An ein paar der Tische saßen tatsächlich Menschen, aber man konnte ihnen förmlich ansehen, wie unwohl sie sich fühlten. Niemand nahm Blickkontakt mit uns auf. Sie starrten auf die Tischplatten vor sich oder den Boden unter ihren Füßen und sagten kein Wort. Es wirkte fasst so, als wenn man sie dazu zwingen würde hier zu sein. Im Raum befand sich ebenfalls eine junge Frau mit zwei Kindern. Auch sie sah uns nicht an. Ihre Kleidung, und die ihrer Kinder, war aus den billigsten, synthetischen Fasern hergestellt. Vermutlich hielt es sie nicht einmal annährend warm. Eines der Kinder hob den Kopf und sah zu einem der Soldaten rüber. Nach einem kurzen Moment des Zögerns, setzte es sich dann in Bewegung und kam zu uns rüber. Nur wenige Meter von uns entfernt blieb das kleine Mädchen stehen und sah zwischen Gry und mir hin und her. Nach einem weiteren Augenblick, kam sie dann auf mich zu. Ich ging langsam in die Knie, um ihr in die Augen sehen zu können. Sie war auf keinen Fall älter als sechs. Ihre Haut war blass, wie die einer Porzellanpuppe und sie hatte dunkle Ringe unter ihren Augen. Ihr dunkelblondes Haar hing in
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