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ALTEA (Sturmflut) (German Edition)

ALTEA (Sturmflut) (German Edition)

Titel: ALTEA (Sturmflut) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Suslik
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Aljoscha gab mir eine Antwort.
             „Weil das der Grund meiner Existenz ist.“ Stellte er mit sachlicher Stimme klar. Ich sah zu ihm auf, völlig verwirrt. Meine Lippen zitterten noch schlimmer als zuvor. „Ich wurde nicht geboren, ich wurde gemacht. Genauso wie Ibrahim und noch vier weitere Männer, die man als meine Brüder betrachten kann. Drei haben es nicht über das Kindesalter hinaus geschafft, einer hat sich umgebracht. Damit bleiben Ibrahim und ich übrig. Wir sind beide keine Soldaten im eigentlichen Sinne. Wir sind viel mehr militärisches Eigentum. Wir wurden gemacht, um die risikoreichsten Aufgaben zu übernehmen und möglichst zufriedenstellend zu erledigen. Das einzige ‚Recht‘, das wir haben, ist noch gefährlichere Aufgaben zu übernehmen, als uns sowieso schon zugeteilt werden. Darüber hinaus können wir Privilegien erlangen, so wie Ibrahim. Er befehligt hier im Stützpunkt eine ziemlich große Gruppe von Männern.“
    Mit jedem Wort war ich etwas mehr in mich zusammengesunken. Ich konnte und ich wollte das alles nicht glauben. Es war einfach zu schrecklich, um die Realität zu sein.
             „Mein Privileg ist es, mit dir zu arbeiten.“
    Er kam zu mir und legte eine Hand auf meine Schulter, doch ich streifte sie sofort wieder ab. Es war das erste Mal, dass ich seine Berührung nicht ertrug und für einen Moment glaubte ich, so etwas wie Schmerz in seinem Gesichtsausdruck gesehen zu haben.
             „Willst du damit sagen, dass du keine andere Wahl hattest?“
             „Nein. Wie schon gesagt: Ich werde mein Handeln nicht mit Ausreden entschuldigen. Ich hatte eine Wahl.“ Wiederholte er ruhig.
             „Welche? Selbstmord?“
    Ich spürte, wie sich ein gewaltiger Druck in meinem Brustkorb aufbaute. Meine Stimme war bereits so zittrig, dass ich Angst hatte, sie würde mir gleich jeden Dienst versagen.
             „Unter anderem. Aber das spielt keine Rolle, weil ich mich eben anders entschieden habe.“
             „Aber du hattest keine Wahl!“ Ich argumentierte nicht, ich flehte. Ich wollte, dass es so war.
             „Argh, Milla! Wir drehen uns hier im Kreis. Kannst du bitte damit aufhören, für mich nach Ausflüchten zu suchen?“
    Ich wusste selbst nicht, warum ich das tat. Ich hatte das Gefühl, es war ein verzweifelter Versuch meinen eigenen Verstand vor dem Absturz zu retten.
             „Heißt das… du bist gar kein richtiger… Mensch?“ Fragte ich geschockt. Aljoscha holte tief Luft und gab einen langen Seufzer von sich.
             „Das kommt darauf an, wie du das sehen willst. Als mein ‚Leben‘ gerade erst so richtig anfing, da war ich wohl nicht wirklich einer. Aber ich habe mich entwickelt. Es war meine Entscheidung, nicht einfach ein Gegenstand, eine Waffe zu sein. Ich wollte eine Persönlichkeit und ein Leben. Ich wollte jemand sein und nicht etwas. Und ich bin überzeugt, diese Wahl konnte ich nur treffen, weil ich so etwas wie eine Seele habe.“ Erklärte er mit überraschend viel Wärme in seiner Stimme.
    Wieder herrschte für eine Weile nur Stille zwischen uns. Meine Finger hatten sich tief in meine Handflächen gebohrt und ich hörte meinen eigenen Herzschlag so laut, es war ein einziges Dröhnen. Was war nur los mit mir?
             „Dann sag mir: Warst du etwas oder jemand , als du diese Menschen getötet hast?“ Fragte ich ängstlich, denn ich fürchtete mich vor der Antwort.
             „Gute Frage… Ich weiß es nicht genau. Ich schätze, mit jeder Kugel, die ich abgefeuert habe und mit jeder verhängnisvollen Entscheidung, die ich traf, wuchs in mir der Wunsch vom einen ins andere überzutreten. Ich habe ein Schuldbewusstsein, Milla. Ich fühle mich jeden Tag schuldig für das, was ich getan habe. Das ist auch der Grund, warum ich niemals sagen werde: ‚Ich musste das tun, es war meine Aufgabe und ich hatte keine Wahl‘. Ich bin mir jeden Tag dieser Verantwortung bewusst und ich ertrage sie, weil ich mich dazu entschieden habe so jemand zu sein.“
    In mir kämpften die Emotionen gegeneinander. Das alles ergab Sinn und doch wischte es nicht einfach weg, was er getan hatte. Ganz im Gegenteil. Er stand dazu. Ich wusste nicht, was ich sagen oder wie ich mich verhalten sollte. Da war nur dieser riesige Druck auf meiner Brust, der einfach immer größer zu werden schien. Plötzlich war ein Hämmern gegen die Metalltür zu hören. Es war nicht

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