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Alter schützt vor Scharfsinn nicht

Alter schützt vor Scharfsinn nicht

Titel: Alter schützt vor Scharfsinn nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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reagierst manchmal sehr unerwartet.«
    »Und du hast viel öfter Recht als ich, was häufig sehr schwer zu ertragen ist. Nun, das sind eben die Prüfungen des Schicksals. Wer hat nur immer von ihnen geredet, Tommy? Wer?«
    »Ist doch unwichtig«, antwortete Tommy. »Geh, wasch den Staub vergangener Zeiten ab. Versteht Isaac eigentlich was von der Gärtnerei?«
    »Er ist fest davon überzeugt. Wir müssen es auf einen Versuch ankommen lassen.«
    »Ja. Da wir beide leider nichts davon verstehen. Schon wieder ein Problem!«

12
     
    » N och vor dem Frühstück glauben, dass sechs unmögliche Dinge wahr sind – weiß der Himmel!«, sagte Tuppence, trank ihre Kaffeetasse aus und betrachtete das letzte Spiegelei, das neben zwei appetitlich aussehenden Nierchen auf einer Platte auf der Anrichte lag. »Zu frühstücken ist viel lohnender als über unglaubwürdige Dinge nachzudenken. Tommy ist derjenige, der hinter Phantomen herjagt. Ich möchte wissen, ob bei seinen Nachforschungen etwas herauskommt!«
    Sie lud sich Ei und Nieren auf den Teller.
    »Ach, wie schön, endlich mal richtig zu frühstücken!«
    Lange Zeit hatte sie sich morgens mit einer Tasse Kaffee und Orangensaft oder einer Grapefruit begnügt. Obwohl das bei der täglichen Gewichtskontrolle sehr positiv zu Buche schlug, hatte es ihr wenig Spaß gemacht. Jetzt fand sie, dass warme Gerichte sehr anregend auf die Magensäfte wirkten. »Wahrscheinlich«, fuhr Tuppence fort, »haben die Parkinsons auch so gefrühstückt. Spiegeleier oder Rührei und Schinken und vielleicht – «, sie verlor sich in der Erinnerung an alte Romane, »ja, vielleicht auch kalte Moorhühner. Hm! Ich weiß noch, wie herrlich sich das allein schon las! Natürlich waren Kinder damals so unwichtig, dass man ihnen nur die Beine gab. Aber Geflügelbeine haben den Vorteil, dass man sie abnagen darf.« Sie hielt inne und schob den letzten Bissen Niere in den Mund.
    Da drangen seltsame Geräusche durch die Tür.
    »Komisch«, sagte Tuppence, »es hört sich wie ein schief gegangenes Konzert an.«
    Mit einem Stück Toast in der Hand lauschte sie abermals und sah Albert fragend entgegen, der gerade eintrat.
    »Was ist da los, Albert? Erzählen Sie mir nur nicht, dass die Handwerker plötzlich ein Instrument spielen können. Etwa ein Harmonium?«
    »Es ist der Herr, der wegen des Flügels gekommen ist.«
    »Was will er denn?«
    »Er stimmt ihn. Sie hatten gesagt, ich sollte einen Klavierstimmer bestellen.«
    »Donnerwetter!«, sagte Tuppence. »Das haben Sie schon gemacht? Sie sind ja großartig, Albert!«
    Albert sah erfreut aus, aber auch sehr überzeugt davon, dass er in der Tat großartig war, wenn man bedachte, mit welchem Tempo er die merkwürdigen Wünsche erfüllte, die seine Herrschaft manchmal an ihn stellte.
    »Er sagt, er hätte es sehr nötig«, meinte er.
    »Ja, den Eindruck habe ich auch.«
    Tuppence trank noch eine halbe Tasse Kaffee und ging dann ins Wohnzimmer. Ein junger Mann arbeitete am Flügel, dessen Inneres sich dem Blick offen darbot.
    »Guten Morgen, Madam«, sagte er.
    »Guten Morgen. Ich freue mich, dass Sie so schnell kommen konnten.«
    »Ah, der hat das Stimmen auch sehr nötig.«
    »Ja, ich weiß«, sagte Tuppence. »Wir sind gerade eingezogen und ein Umzug ist nicht ganz das Richtige für einen Flügel. Er ist auch lange nicht mehr gestimmt worden.«
    »Das merkt man.« Der junge Mann schlug drei verschiedene Akkorde an, zwei fröhliche in Dur, einen sehr melancholischen in a-Moll. »Ein prachtvolles Stück, Madam, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf.«
    »Ja. Ein Erard.«
    »Den würden Sie heute nicht mehr so leicht bekommen.«
    »Er hat einige Abenteuer hinter sich«, antwortete Tuppence. »Er ist während der Bombenangriffe in London gewesen. Unser Haus wurde getroffen. Glücklicherweise waren wir nicht da. Es wurde auch nur äußerlich beschädigt.«
    »Eine solide Arbeit.«
    Sie plauderten freundlich weiter, dann spielte der junge Mann die ersten Takte eines Chopin-Präludiums und wechselte zur Blauen D o nau über. Bald darauf verkündete er, dass er fertig sei.
    »Aber warten Sie nicht zu lange«, sagte er warnend. »Ich würde ihn gern nochmal ausprobieren, ehe zu viel Zeit verstrichen ist, weil er – na, wie soll ich mich ausdrücken –, er könnte ein wenig nachgeben. Verstehen Sie, vielleicht habe ich etwas übersehen.«
    Sie trennten sich mit gegenseitigen Beteuerungen über die Freude an der Musik im Allgemeinen, an der Klaviermusik im

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