Alter schützt vor Scharfsinn nicht
Aber er hatte nicht die richtige Größe.«
»Wann war das?«, fragte Tommy.
»Sie meinen, der Krocketplatz? Ach, vor meiner Zeit schon. Es gibt immer so viele Leute, die einem erzählen, was mal gewesen ist – dass hier was versteckt war – und warum und wer es getan hat. Es wird so viel verrücktes Zeug erzählt, meistens sind es Lügen, aber manchmal kann auch was Wahres dran sein.«
»Sie sind ein kluger Mann, Isaac«, sagte Tuppence. »Wieso wissen Sie über den Krocketplatz Bescheid?«
»Es gab mal einen Kasten mit Krocketschlägern. Ist schon Ewigkeiten her. Viel wird nicht mehr übrig sein.«
Tuppence ließ von Mathilde ab und ging in eine Ecke, in der ein länglicher Holzkasten stand. Nachdem sie den vom Alter verquollenen Deckel mit Mühe aufgestemmt hatte, entdeckte sie darin eine blassrote Kugel, eine blaue Kugel und einen verzogenen Schläger. Der restliche Inhalt bestand aus Spinnweben.
»Kann noch aus Mrs Faulkners Zeiten stammen, ist gut möglich. Sie soll bei Turnieren mitgespielt haben.«
»Was, in Wimbledon?«, fragte Tuppence ungläubig.
»Nein, nicht gerade in Wimbledon. Bei Lokalturnieren, wissen Sie. Die wurden damals auch hier abgehalten. Ich habe beim Fotografen Bilder gesehen.«
»Beim Fotografen?«
»Ja. Im Dorf. Bei Durrance. Sie kennen ihn doch?«
»Durrance?«, wiederholte Tuppence nachdenklich. »Ah, ja! Er verkauft auch Filme und Fotoartikel.«
»Ja. Natürlich steht jetzt nicht mehr der alte Durrance im Geschäft. Es ist der Enkel oder Urenkel. Verkauft fast nur Postkarten und Weihnachts- und Geburtstagskarten, wissen Sie. Früher hat er Leute fotografiert. Er hat eine Menge aufgehoben. Neulich wollte eine Frau ein Bild ihrer Urgroßmutter haben, es war verloren gegangen, und sie fragte nach dem Negativ. Ich weiß nicht, ob sie’s gefunden hat. Er hat einen Berg alter Alben.«
»Alben«, wiederholte Tuppence überlegend.
»Kann ich noch was helfen?«, fragte Isaac.
»Ja, fassen Sie mal mit bei Mathilde an«, sagte Tommy.
Sie drehten Mathilde endgültig um.
»Findest du nicht auch, dass es ein glänzendes Versteck ist?«, fragte Tuppence und tauchte mit dem Arm in Mathildes Bauch. Sie zog einen verbeulten löchrigen Gummiball heraus, der einmal gelb und rot gewesen war.
»Das waren sicher Kinder. Die machen so was.«
»Ja, wo immer sie auch ein Versteck finden«, bestätigte Isaac. »Hier hat es mal einen jungen Herrn gegeben, der Briefe reingelegt hat. Wenigstens habe ich so was gehört. Wie in einen Postkasten.«
»Briefe? Für wen denn?«
»Für eine junge Dame, glaube ich. Aber das war vor meiner Zeit«, schloss Isaac wie üblich.
»Was doch alles vor Isaacs Zeit passiert ist«, sagte Tuppence, nachdem Isaac Mathilde noch festgezurrt und sie mit der Erklärung allein gelassen hatte, er müsste die Mistbeetfenster schließen.
Tommy zog seine Jacke aus.
»Unglaublich«, stellte Tuppence nach Luft schnappend fest, als sie einen zerkratzten, schmutzigen Arm aus dem gähnenden Loch in Mathildes Bauch zog, »was alles hineingesteckt wurde, ohne dass es jemand jemals wieder ausgeräumt hat.«
»Warum auch?«
»Du hast Recht. Aber wir tun es jetzt, was?«
»Ja, weil wir nichts Besseres vorhaben. Übrigens glaube ich nicht, dass wir was Interessantes finden werden. Au!«
»Was ist los?«
»Ich habe mich gekratzt.«
Tommy zog den Arm ein wenig zurück und tastete im Loch herum. Ein gestrickter Schal kam zum Vorschein, der schon vielen Motten zum Fraß gedient hatte und dann auf ein noch tieferes Niveau abgesunken war.
»Widerlich«, sagte er.
Tuppence schob ihn ein wenig zur Seite und beugte sich tief über das Loch.
»Pass auf die Nägel auf«, warnte Tommy.
»Was ist das?«
Tuppence brachte ihren Fund zu Tage. Es war offensichtlich das Rad eines Wagens oder Karrens von einem Kinderspielzeug.
»Ich glaube, wir verschwenden unsere Zeit«, sagte sie.
»Davon bin ich überzeugt.«
»Oh! Jetzt kriechen mir drei Spinnen über den Arm. Gleich kommt sicher noch ein Wurm zum Vorschein. Mich ekelt vor Würmern!«
»Ich glaube nicht, dass hier Würmer sind. Würmer lieben die Erde.«
»Das Pferd scheint auch gleich leer zu sein. Warte mal, was ist das? Ein Nadelbuch! Das hätte ich hier am wenigsten erwartet. Es stecken sogar Nadeln drin, alle verrostet.«
»Sicher stammt es von einem kleinen Mädchen, das nicht gern genäht hat«, sagte Tommy.
»Da kannst du Recht haben.«
»Ich habe gerade was gespürt, das sich wie ein Buch anfühlt«, sagte Tommy
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