Alterra: Der Herr des Nebels: Roman (German Edition)
was du denkst. Es ist nur ein Gewitter. Er kann es nicht sein. Er ist verschwunden, erinnerst du dich? Der Torvaderon ist tot. Los, komm jetzt, wir müssen hier weg.«
Matt nickte langsam.
»In die Stadt, dort finden wir Schutz.«
Sie rannten los, um den hohen Hügel herum, bis sie zu dem Feldweg kamen, der das Brachland durchquerte. Um sie herum war es stockfinster. Noch trennten sie Dornbüsche, Farnkraut und hohe Gräser von den ersten Häusern. Inmitten dieses Gestrüpps verlief der Weg mal ansteigend, mal im Zickzack, mal abfallend. Mal war er enger, mal breiter, und an vielen Stellen gefährlich wegen der vielen Wurzeln, über die man stolpern konnte.
Matt lief voraus und umklammerte Ambres Hand. Mit der anderen Hand hielt er die schwankende Öllampe. Der Wind war urplötzlich aufgefrischt und fuhr durch die Blätter, schüttelte die Farnteppiche und zerzauste die Büsche. Sein Heulen und Fauchen ging den beiden Jugendlichen durch Mark und Bein. Drei weitere Blitze erleuchteten die Landschaft, unterbrochen vom Donnergrollen, das so klang, als würde jeden Moment ein riesiges Holzfass über die Stadt hinwegrollen.
Matt rannte den Weg entlang und zog seine Freundin hinter sich her. Er wurde kurz langsamer, um nachzusehen, ob sie die schwarze Vogelschar ein wenig abgehängt hatten, und musste mit Schrecken feststellen, dass sie noch immer über ihnen war.
Sie folgen uns!
Plötzlich fuhr ein Vogel im Sturzflug herab, gefolgt von einer ganzen Hundertschaft. Die Spitze dieses Torpedos sauste bis zu einer Stelle zwei Meter vor Matt und Ambre herab, bevor sie die Richtung änderte und wieder in den Himmel aufstieg.
Die Tiere versperrten ihnen den Weg. Offenbar wollten sie die Jugendlichen stoppen.
»Sie wollen nicht, dass wir dort entlanggehen!«, schrie Ambre. »Wie ist das möglich? Es ist, als handelten sie zielgerichtet!«
»Ich habe keine Ahnung, wie, aber ich glaube, dass sie von außen gelenkt werden! Komm!«
Matt wollte gerade wieder losrennen und ihre Flucht fortsetzen, als ihn ein Vogel mit aufgerissenem Schnabel, weit ausgebreiteten Flügeln und ausgefahrenen Krallen attackierte.
Reflexartig verpasste Matt ihm einen Schlag mit dem Handrücken. Aufgrund seiner Kraftalteration brach er dem Vogel die Knochen und sandte ihn in einen Dornenbusch.
Eine zähflüssige schwarze Masse bedeckte die Rückseite seiner Hand.
»Ist das Blut?«, fragte Ambre.
Matt schüttelte den Kopf und hob die Hand an seine Nase.
»Das riecht stark … nach Öl! Und nach Teer, glaube ich.«
Ambre packte hastig die Lampe und hielt sie weit von ihrem Freund weg.
»Keine gute Mischung!«
»Tobias hatte recht! Heute Morgen hat er auch so einen Vogel gesehen!«
Und schon sausten mehrere Dutzend gefiederte Flugobjekte auf Matt herab. Ambre konnte ihn gerade noch nach hinten reißen, bevor die Schnäbel zuschnappten.
Die beiden sprinteten los, diesmal in die andere Richtung.
»In den Wald!«, rief Ambre zwischen zwei Donnerschlägen. »Das ist unsere einzige Chance!«
Sie liefen im Schein ihrer Öllampe durch die Nacht und kämpften gegen den immer stärker werdenden Wind an.
Plötzlich legten sich die Böen.
Matt spürte ein Jucken im Genick. Er kannte dieses Gefühl. Als befände er sich mitten in einem Sturm und erreichte das Auge des Zyklons.
Wie bei seinen Begegnungen mit dem Torvaderon.
Er bremste abrupt.
»Was ist los?«, fragte Ambre.
Matt deutete in den Himmel.
Die Vögel kreisten immer noch über ihnen, aber jetzt ließen sie in ihrer Mitte eine freie Stelle; sie formten eine Art Krone aus verschieden großen Leibern.
»Irgendetwas bahnt sich an«, flüsterte Matt.
Vor ihnen auf dem Weg erschien eine Gestalt. Sie wirkte menschlich, war etwa zwei Meter groß und in ein langes Gewand gehüllt. Anstelle des Gesichtes hatte sie jedoch nur ein schwarzes Loch.
Matt wurde von kaltem Grauen gepackt.
Seine Arme und Beine gehorchten ihm nicht mehr.
Fünf Meter vor ihm stand der Torvaderon.
Die Kreatur blieb stehen und wandte ihr hohles Antlitz in ihre Richtung. Beim genaueren Hinsehen fiel Matt auf, dass sie nicht genau wie der Torvaderon aussah. Dieser bestand nur aus einem in der Luft schwebenden, finsteren Tuch mit einem furchterregenden Schädel in der Mitte. Die Erscheinung vor ihnen hatte jedoch Arme und Beine. Unter ihrem schwarzen Umhang schauten mit Metall verstärkte Lederhandschuhe hervor, und auch ihre Füße steckten in groben Stiefeln aus Leder und Stahl. Während der Torvaderon ein nicht
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