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Alterra: Der Herr des Nebels: Roman (German Edition)

Alterra: Der Herr des Nebels: Roman (German Edition)

Titel: Alterra: Der Herr des Nebels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxime Chattam
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Ein gefährlicher Verrückter!
    Er trug seinen Namen nicht ohne Grund. Über den Unschuldstrinker waren zahlreiche Gerüchte im Umlauf. Unter anderem war er für seine Vorliebe für kleine Kinder bekannt, die er zu Sklaven und Dienstboten machte, die ihm bedingungslos gehorchen mussten.
    Zelie lief ein eiskalter Schauer über den Rücken.
    Sie blieb vor einer Flügeltür stehen und schob sie vorsichtig auf. Dahinter lag ein in Rot und Rosa gehaltener Salon: schwulstiger Samt, weiche Polstersessel, schwere Vorhänge und Wandteppiche, Tierbilder in goldenen Rahmen.
    Zelie schlüpfte hinein und huschte zu dem Sekretär am anderen Ende des Raumes. Der unangenehme Geruch von kaltem Zigarrenrauch hing in der Luft.
    Sie blätterte hastig mehrere Stapel weißen Papiers durch, um sich zu vergewissern, dass keine wichtigen Notizen dazwischen verborgen waren, hob das Tintenfass und den Briefbeschwerer hoch und durchsuchte die Schubladen, ohne etwas von Interesse zu finden.
    Nur der Aschenbecher stach ihr ins Auge. Er war voller Asche, angekokelten Papierschnipseln und Resten von Briefen.
    Verbrennt er seine Post, nachdem er sie gelesen hat? Aus Vorsicht?
    Misstraute er seinen eigenen Männern?
    Blieb noch eine verschlossene Schublade, die Zelie nicht aufbekam.
    Mit meiner Alteration kann ich hineingreifen. Kleinere Gegenstände müsste ich herausbekommen können, schließlich durchqueren meine Anziehsachen auch mit mir das Holz …
    Zelie konzentrierte sich lange, um diesmal keinen Fehler zu machen. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Als sie sich bereit fühlte, schob sie die rechte Hand durch das Holz.
    Ihre Finger berührten ein paar Blätter, und sie knüllte sie zusammen, bis sie sie fest im Griff hatte. Dann zog sie langsam die Faust zurück. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt ihren Bewegungen, ihrem Pulsschlag und der Kälte um ihr Handgelenk.
    Sie war so auf das Papier in ihrer Hand konzentriert, dass sie den Eindruck hatte, dessen Vibrationen zu spüren.
    Ihre Hand, die mehrere Blätter Papier umklammerte, kam zum Vorschein.
    Plötzlich zuckte sie zusammen.
    Ein Teil des Dokuments blieb im Holz des Sekretärs stecken und weigerte sich, herauszukommen.
    Zelie verdoppelte ihre Konzentration und schaffte es, ihre Hand und einen Großteil ihrer Beute freizubekommen. Ein Stück blieb jedoch unterwegs hängen.
    Egal jetzt  …
    Sie glättete die zerknitterten Blätter auf der Lederunterlage und runzelte die Stirn.
    Listen mit Namen.
    Datumsangaben.
    Zelie fuhr zusammen. Diese Informationen sagten ihr etwas.
    Die Freiwilligen, die den Müttern bei der Versorgung der Säuglinge helfen sollen! Und diejenigen, die nach Babylon gezogen sind, um sich die Stadt anzusehen! Und hier, die Pans, die beschlossen haben, bei den Großen zu leben!
    Der Unschuldstrinker hatte Listen erstellt, in denen jeder einzelne Pan erfasst war, der sich ins Land der Großen begeben hatte. Die meisten gehörten zu den Trupps, die sich um die Neugeborenen kümmern sollten, bis sie abgestillt waren, um sie anschließend nach Eden mitzunehmen. Das Überleben der Menschheit hing vom Mut dieser Kinder und Jugendlichen ab, von ihrer Bereitschaft, eine Rolle zu übernehmen, die ihnen eigentlich nicht zukam.
    Wie in vergangenen Jahrhunderten, wo die Leute mit zwölf, dreizehn oder vierzehn zum ersten Mal Vater oder Mutter wurden. Wir leben wieder im Mittelalter …
    Zelie sah, dass der Unschuldstrinker neben manche Namen, im Durchschnitt zwei pro Trupp, mit dem Füller ein Kreuz gemalt hatte.
    Sie prägte sich die markierten Namen ein und konzentrierte sich, um die Blätter zurück in die Schublade zu legen. Sie waren zwar zerknittert und eingerissen, aber es war klüger, sie wieder an ihren angestammten Platz zu tun. Mit etwas Glück würde der Unschuldstrinker denken, dass er selbst die Blätter zerknüllt hatte.
    Warum führt er diese Listen?
    Ihr gefiel das gar nicht. Bereits der letzte Vorschlag der Großen – die Erlaubnis, dass Patrouillen eines Volkes das Gebiet des anderen betreten durften – hatte ihr nicht gefallen. Zelie befürchtete, dass dies nur ein Vorwand war, um immer weiter in ihr Gebiet vorzudringen, und eines Tages würden die Großen nach Belieben in Eden ein und aus gehen.
    Glücklicherweise untersagte das neu geschlossene Abkommen größere Truppenbewegungen. Keine Armee durfte das Gebiet der Pans betreten.
    Und nun diese rätselhaften Listen. Zelie konnte nicht erkennen, welchem Zweck sie dienten. Aber sie verhießen nichts Gutes.
    Sie

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