Alterra - Der Krieg der Kinder: Roman (German Edition)
schrecklichen und zugleich herrlich magischen Moment zurück, als er das Rätsel des Steinernen Testaments auf Ambres nacktem Körper erforscht hatte. Ihre weiche Haut, ihre Muttermale, ihre perfekten Brüste …
Sie fehlte ihm. Ihre Art, ihn zurechtzuweisen, ihre scharfsichtigen Ideen, ihr Duft, ihre Haare auf seinem Gesicht …
»Glaubst du, sie wird es schaffen?«, fragte Tobias.
Matt verzog das Gesicht. Dann sah er seinem Freund in die Augen.
»Ich hoffe es, denn wenn ich ganz ehrlich bin, glaube ich, dass dies der letzte Strohhalm ist, an den wir uns noch klammern können.«
»Was bringt es dann, dass wir uns in den Pass der Wölfe stürzen, oder in die Höhle des Löwen, sollte ich wohl sagen?«
»Um Zeit zu gewinnen, Tobias. Um Ambre die Zeit zu geben, das zu erfüllen, was sie tun muss. Was auch immer das ist. Wir müssen versuchen, den Feind so lange wie möglich in Schach zu halten.«
45. Pfauenauge
M it jedem Schlag erzeugten die Flügel des Schmetterlings einen mächtigen Zug.
Um Kraft zu sparen, ließ sich der Schmetterling vom Wind tragen, sooft es ging. Er nutzte die aufsteigende warme Luft, um sich in die Höhe zu schrauben, und segelte auf den kühlen Strömungen im raschen Sinkflug dahin.
Ohne Kompass konnte Ambre sich nur grob an den Himmelsrichtungen orientieren und musste sich oft auf ihr Gefühl verlassen. Jeden Tag vergewisserte sie sich, dass die Sonne zu ihrer Rechten aufging und am Abend zu ihrer Linken unterging. Wenn der Schmetterling den Kurs änderte, zog sie leicht an den Zügeln, und so flog sie bereits seit drei Tagen dahin.
Anfangs war es ihr unmöglich gewesen, sich zu entspannen. Aus Sorge, dass das Tier plötzlich auf den Befehl eines seiner Gebieter kehrtmachen oder irgendwo landen könnte, um sich auszuruhen, hatte sie jede seiner Regungen nervös beobachtet.
Aber der Schmetterling flog unentwegt geradeaus, ohne zu rasten, ohne zu essen und zu trinken.
Mit der Zeit lernte sie, sich auf seinem Rücken wie in den Armen eines Freundes zu fühlen. Der Schmetterling sprach zwar nicht, aber das leichte Zittern, das ihn durchfuhr, wenn er sich in die abwärtsführenden Strömungen stürzte, verriet Ambre, dass er das Fliegen über alles in der Welt liebte.
Sein Körper war weich, und die riesigen Flügel mit den braunen, roten und grünen Flecken schimmerten in der Sonne. Er flog mit bewundernswerter Eleganz, und schließlich vertraute Ambre ihm so sehr, dass sie mehrere Stunden am Stück schlief. Etwas anderes gab es auch gar nicht zu tun. Er schien beschlossen zu haben, sie an ihr Ziel zu bringen, ohne einen einzigen Halt einzulegen.
Aus ihren Beobachtungen schloss Ambre, dass die prächtigen Flügel dieses majestätischen Wesens so empfindsam waren, dass der kleinste Riss es an den Boden fesseln würde. Also hielt sich der Schmetterling von Bäumen und Felsen fern, und Ambre fragte sich, ob sie ihn überhaupt dazu bringen könnte, am Großen Nest zu landen.
Alles zu seiner Zeit …
Sie hatte sich umgezogen und die Kleider, die sie in jener furchtbaren Nacht im Schloss von Malronce getragen hatte, ganz tief in ihrer Tasche verstaut. Sie waren von Blut durchtränkt. Ihrem Blut, das einen anderen das Leben gekostet hatte.
Neil.
Der Junge, der vor einigen Wochen noch gefordert hatte, sie an die Zyniks auszuliefern.
Schon allein seinetwegen musste sie ihre Mission zu Ende führen.
Um zu zeigen, dass sein Tod nicht umsonst gewesen war, dass er zu Recht gehofft hatte, mit ihrem Leben auch das Leben aller Pans zu retten.
Die Trauer und die Schuldgefühle machten sie ganz krank.
Nach zwei Tagen ging es ihr etwas besser; das schlechte Gewissen war zwar nicht verschwunden, aber sie lernte, mit dieser Bürde zu leben. Sie hatte angefangen, mit ihrem Schmetterling zu reden, ohne eine Antwort zu erwarten. Auch wenn sie nicht wissen konnte, ob er sie verstand, hatte sie den Eindruck, dass es ihm gefiel, ihre Stimme zu hören. Sie nannte ihn Pfauenauge, obwohl sie das Muster auf seinen Flügeln nicht kannte.
Sie teilte ihm alles mit, was sie auf dem Herzen hatte, und das half ihr sehr.
Sie überflogen die Felswände an der Grenze zu Wyrd’Lon-Deis, und Ambre spürte einen Stich in der Brust, als sie in der Ferne den Berg von Henok sah. Wie würden Matt, Tobias und die anderen dieses Hindernis überwinden? Würde sie sie eines Tages wiedersehen?
Ihre Zukunft war ungewisser denn je. Alles kam darauf an, wie ihre Expedition ausgehen würde.
Und der Krieg, der den Pans
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