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Alterra - Der Krieg der Kinder: Roman (German Edition)

Alterra - Der Krieg der Kinder: Roman (German Edition)

Titel: Alterra - Der Krieg der Kinder: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxime Chattam , Nadine Pueschel , Maximilian Stadler
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die Kabinen vorgesehen, in denen die Klanmitglieder in Hängematten schliefen. Ambre erfuhr, dass alle Jugendlichen einen Vogelnamen trugen, die Jungen einen männlichen, die Mädchen einen weiblichen. So lernte sie nicht nur Tannenhäher, Mauerläufer und Regenpfeifer kennen, sondern auch Silbermöwe, Meerschwalbe und Nebelkrähe.
    Die Blicke, die ihr zugeworfen wurden, waren nicht durchweg freundlich. Mehrere Mädchen starrten sie an, als sei sie eine gefährliche Rivalin, und Ambre fühlte sich sehr unwohl.
    Steinbeißer nahm sie unter seine Fittiche, stellte ihr seine Freunde vor, erklärte ihr die Sitten und Gebräuche im Taubenschlag und sorgte dafür, dass sie zu essen und zu trinken bekam.
    Als der Abend anbrach, brachte er sie in den Speisesaal, wo sie zusammen aßen. Es gab ein recht schmackhaftes helles Fleisch. Das Gerücht, dass eine Fremde in den Taubenschlag gekommen war, hatte offenbar die Runde gemacht, denn alle betrachteten sie neugierig. Ambre merkte, dass auch diese Pans Alterationen entwickelt hatten, aber noch nicht richtig damit umgehen konnten. Sie sah, wie ein Junge fünf oder sechs Anläufe brauchte, um mit seinem Zeigefinger ein Feuer zu entfachen.
    Die Alteration betraf alle Pans auf der Erde, dessen war sie sich inzwischen sicher, doch manche weigerten sich, sie anzunehmen, während andere Mühe hatten, sie zu nutzen, oder gar Angst davor hatten.
    Nach dem Abendessen nahm Steinbeißer Ambre mit auf das Oberdeck des Kahns und spazierte mit ihr von Steg zu Steg. Er erzählte ihr, wie er nach dem Sturm allein aufgewacht war. Seine Stadt war völlig von Pflanzen überwuchert gewesen, und bis er einige andere Überlebende seines Alters gefunden hatte, waren die Gebäude bereits unter der Pflanzendecke vergraben und der Asphalt von Wurzeln gesprengt. Innerhalb eines Monats hatten sich etwa fünfhundert Jugendliche inmitten eines Waldes wiedergefunden, der unaufhörlich wuchs. Kaum hatten sie sich eine Unterkunft gebaut, da wurde sie auch schon wieder von den Pflanzen zerstört. Nach drei Monaten verschwand das Tageslicht vollkommen, und so wagten es einige von ihnen, an den gigantischen Baumstämmen emporzuklettern. Als sie feststellten, dass die Lebensbedingungen an der Oberfläche angenehmer waren, beschlossen sie, dort zu bleiben, und holten über mehrere Wochen das nötige Material nach oben. Bei den zahllosen Klettertouren verloren sie viele ihrer Freunde, denn die Raubtiere, die in dem dichten Blätterwerk hausten, entwickelten sich ebenfalls rasant.
    Der Taubenschlag war unter großen Opfern entstanden.
    »Das ist unsere Geschichte«, schloss Steinbeißer. »Wir konnten unsere Toten nie begraben, aber wir gedenken ihrer, indem wir unsere Zukunft vorbereiten. Deshalb müssen sich alle Jungen eine Frau suchen und Kinder bekommen, das schulden wir all jenen, denen wir unser Überleben verdanken.«
    »Hast du noch keine gefunden?«
    Steinbeißer schlug verlegen die Augen nieder.
    »Nein, die Mädchen entscheiden, wen sie wollen, und sie sind wählerisch.«
    »Ich bin sicher, dass du eine Hübsche finden wirst.«
    Dann gab Ambre vor, müde zu sein, und legte sich in der winzigen Kabine, die ihr zugeteilt worden war, in ihre Hängematte.
    Sie konnte lange nicht einschlafen. Ihre Lage war vertrackt. Sie durfte nicht hierbleiben, aber Schwimmen war zu gefährlich, da hatte Steinbeißer ganz recht.
    Und was die Gemeinschaft der Drei bei den Chloropanphyllikern getan hatte, würde sie nicht über sich bringen: ein Schiff zu stehlen. Ohne Tobias’ Hilfe würde sie ohnehin nicht weit kommen.
    Offenbar hatten alle Klans, die auf diesem seltsamen Meer lebten, die ärgerliche Angewohnheit, sich sofort alle Besucher einzuverleiben, als käme es auf jeden Einzelnen an.
    Weil sie wissen, dass sie isoliert sind. Sie leben auf Schiffen und werden darauf sterben, ohne sich mit anderen Gemeinschaften austauschen zu können. Jedes neues Mitglied gibt ihnen Hoffnung, ihre Gemeinschaft aufrechtzuerhalten.
    Nachdem Ambre sich eine Weile vergebens den Kopf zerbrochen hatte, was sie tun sollte, schlummerte sie ein und ließ sich vom wohltuenden Mantel des Schlafes einhüllen.

    Am nächsten Morgen wanderte sie von Kahn zu Kahn. Je länger sie den Alltag des Schnabelklans, die Gespräche zwischen Fischern und Zimmerleuten und das Geschäker zwischen zwei Jugendlichen beobachtete, desto klarer wurde ihr, dass sie fliehen musste.
    Der Klan würde ihr nicht helfen, ganz egal, was sie ihnen erzählte, das Leben dieser

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