Alterra - Der Krieg der Kinder: Roman (German Edition)
vorsichtig«, bremste Matt ihn. »Die Chloropanphylliker sind etwas eigenartig.«
»Warum?«
»Sagen wir mal so: Sie sind nur bereit, dich aufzunehmen, wenn du dich ihren Gebräuchen und ihrem Glauben unterordnest. Und vor allem darfst du nicht mehr weg.«
»Sie schützen sich eben«, sagte Ambre tadelnd. »Das ist normal! Wir haben uns nicht korrekt verhalten, wir haben ihr Vertrauen gebrochen!«
»Es ist ihre Schuld! Sie hätten nicht so eine Geheimnistuerei veranstalten sollen!«
»Nein, Matt!«, rief Ambre wütend. »Wir haben …«
»Leiser!«, befahl Ben. »Man hört euch bis hier vorne!«
Ambre seufzte. Matts Einstellung ärgerte sie.
Matt schwieg ebenfalls und lenkte Plusch neben Floyds Hund.
»Was ist eigentlich deine Alteration?«, fragte er.
»Wenn ich dir sage, dass ich als Kind ständig hingefallen bin und mir mehr Knochenbrüche zugezogen habe als alle meine Klassenkameraden zusammen, worauf würdest du tippen?«
»Du bist besonders gewandt geworden, um nicht mehr hinzuknallen?«
Floyd schüttelte den Kopf.
»Daneben. Meine Knochen sind elastisch geworden, nicht sehr, aber immerhin breche ich mir jetzt nichts mehr! So biegsam wie ich ist niemand sonst in Eden!«
»Ah«, sagte Matt ein wenig enttäuscht. »Und nutzt dir das oft was?«
»Wenn ich mich durch einen engen Spalt zwängen muss, ist es praktisch. Und vor allem kann ich bei einer Prügelei oder im Kampf einiges einstecken und kriege höchstens einen blauen Fleck! Okay, ich nehme an, wenn der Schlag wirklich heftig ist, dann riskiere ich eine innere Blutung oder so was, aber das Genick kann mir keiner brechen. Und bei dir, was ist deine Alteration?«
»Meine? Nun ja, bei meinen Schlägen trägst du mehr als einen blauen Fleck davon«, antwortete Matt und wies mit dem Daumen auf sein Schwert, das er sich wie immer auf den Rücken geschnallt hatte.
Ben wollte gerade das Zeichen zum Halt geben und das Nachtlager errichten lassen, da erblickte er in der Ferne eine spitze Form, die sich im Regen nur verschwommen abzeichnete.
»Hat jemand ein Fernglas?«, fragte er.
Matt fiel ein, dass er Tobias’ Fernglas bei sich trug. Nach dem Absturz des Zeppelins hatte er es nicht über sich gebracht, die Ausrüstung seines Freundes zurückzulassen. Er wühlte in einer der Taschen auf Pluschs Rücken und ritt nach vorn, um Ben das Fernglas zu reichen.
Während Ben die Ebene absuchte, wunderte Matt sich, dass er am schwarzen Horizont überhaupt irgendetwas erkennen konnte.
Ben schnappte plötzlich nach Luft.
»Was ist los?«, wisperte Matt.
»Die Festung der Zyniks. Sie ist da vorn, gar nicht weit von hier.«
»Super! Schauen wir sie uns aus der Nähe an, bei dem Wetter werden sie uns nicht bemerken.«
Sie umrundeten einen über zwanzig Meter hohen Felsvorsprung, der aus dem bewaldeten Abhang ragte, und saßen leise von ihren Hunden ab. Mit äußerster Wachsamkeit, um nicht von einer Zynik-Patrouille überrascht zu werden, schlichen sie in die Ebene hinaus. Als sie die letzten Bäume hinter sich gelassen hatten, sahen sie die Festung vor sich aufragen.
Matt blieb die Luft weg.
Sie war viel beeindruckender, als er es sich vorgestellt hatte.
Die Zyniks hatten einen idealen Ort für ihre Burg gefunden: Der Pass war an dieser Stelle mit riesigen Felsblöcken übersät, die aussahen, als wären sie von den Hängen des Blinden Waldes ins Tal gerollt. Von diesem natürlichen Fundament schwang sich eine gewaltige Festungsmauer in die Höhe und bildete so einen unüberwindlichen Riegel quer durch das Tal. Selbst über den Fluss spannte sich ein brückenähnlicher Bogen, unter dem ein gigantisches Fallgitter aus Metall in das dunkle Wasser tauchte.
Der Festungsring war mit hohen Wachtürmen und zinnenbekränzten Wehrgängen versehen und umschloss einen massiven Bergfried mit schmalen Fensterschlitzen. Die Straße schlängelte sich bis an eine Rampe, die zu einem mächtigen Eisentor hinaufführte. Es schien der einzige Zugang zu der Burg zu sein.
Auf sämtlichen Türmen wehten die rot-schwarzen Fahnen mit dem silbernen Apfel.
Hinter den Zinnen erkannte Matt schwankende Lichter, die sich langsam hin und her bewegten. Die Laternen der Wachposten.
Matt begriff, dass sie vor einem echten Problem standen.
Es war nicht nur unmöglich, einen Bogen um die Festung zu schlagen, um nach Wyrd’Lon-Deis weiterzureisen; niemals würde die Armee der Pans dieses überdimensionale Bauwerk einnehmen können.
Beide Missionen waren zum Scheitern verurteilt.
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